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Was Papst Leo XIV. im ersten Schreiben sagt

WELTKIRCHE_

Veröffentlicht am 9. Oktober – unterzeichnet aber symbolkräftig am Tag des heiligen Franziskus, dem 4. Oktober: das päpstliche Schreiben „Dilexi te“. Es geht um Armut der Kirche, der Menschen, der Menschen in der Kirche ...

Ausgabe: 42/2025
14.10.2025
- Monika Slouk
Die Kirche ist eine Kirche der Armen, ruft Papst Leo XIV. in seinem Apostolischen Schreiben „Dilexi te“ in Erinnerung. Das Transparent mit Maria und Jesus (links) ist an einer Mauer in einem Armenviertel in Kairo/Ägypten befestigt.
Die Kirche ist eine Kirche der Armen, ruft Papst Leo XIV. in seinem Apostolischen Schreiben „Dilexi te“ in Erinnerung. Das Transparent mit Maria und Jesus (links) ist an einer Mauer in einem Armenviertel in Kairo/Ägypten befestigt.
© Manuel Meyer/KNA

Papst Leo XIV. hat am 9. Oktober sein erstes Lehrschreiben veröffentlicht

 

Die „Apostolische Exhortation“ (wörtlich: Päpstliche Ermahnung bzw. Ermunterung) trägt den Titel „Dilexi te“ – „Ich habe dir meine Liebe zugewandt“. Sie widmet sich der Armut mit ihren verschiedenen Facetten und der Beziehung der katholischen Kirche zu armen, machtlosen, kraftlosen Menschen. Leo XIV.nimmt darin Kerngedanken von Papst Franziskus auf und entwickelt sie weiter.

 

Die Kirche soll arm sein


Insgesamt betont Papst Leo die Aufmerksamkeit für die Armen als wesentliches Element von Kirche und Glauben. Die Kirche müsse „arm und zusammen mit den Armen auf dem Weg“ sein.
Dabei spricht der Papst nicht nur materielle Not an, sondern auch soziale Ausgrenzung, geistliche Leere und kulturelle Armut. Mehrfach fordert er dazu auf, sowohl die strukturellen Ursachen der Armut zu beseitigen als auch aktuell notwendige finanzielle Unterstützung zu geben („Almosen“).

 

 

Armut als Stachel im Fleisch

 

Markus Schlagnitweit ist Direktor der Katholischen Sozialakademie Österreichs, (Co-)Autor von Büchern wie „Einführung in die Katholische Soziallehre“ oder „Was würde Jesus tun“, Rektor der Ursulinenkirche in Linz und Vorstandsmitglied der interdisziplinären Studienstiftung „Pro Scientia“ sowie des Otto Mauer-Fonds. 

 

Markus Schlagnitweit, warum hat sich Papst Leo für eine sogenannte Exhortation entschieden und nicht für eine Enzyklika?


Markus Schlagnitweit: Eine Exhortation richtet sich primär nach innen, an die Kirchenmitglieder. Sozialenzykliken wenden sich als Einladung zum Dialog an die ganze Welt. Papst Leo erinnert also die katholischen Christ:innen, dass die Armen das Zentrum der Kirche sein sollen.

 

Das entspricht jedenfalls in Österreich nicht der Realität. Kirchenmitglieder kommen meist aus dem bürgerlichen Milieu.


Schlagnitweit: Demgegenüber beschreibt Papst Leo die Kirche als eine Kirche der Armen, nicht nur für die Armen. Der Kampf gegen die Armut soll nicht nur für sie geführt werden, sondern mit ihnen. Das Schreiben betont ihre Mitverantwortung als Subjekte.

 

Was heißt das für die katholische Kirche in Österreich?


Schlagnitweit: Hierzulande ist unter den Kirchenmitgliedern die Bereitschaft hoch, zu teilen und zu spenden. Das schließt das Schreiben auch nicht aus. Almosen sind ein Ort der Begegnung mit Armen. Die Herausforderung ist: Wo sind die Armen in unserer Mitte? Und wie können wir sie hereinholen? Das ist nicht leicht. Manchmal wollen sie nicht in die Mitte gestellt werden, weil Armut stigmatisiert. Es geht um persönliche Begegnung.

 

Die „Armen“ klingt abwertend. Kann man das 2025 noch sagen?


Schlagnitweit: Das Schreiben versteht Armut vielfältig. Finanziell, aber auch sozial, wenn Menschen z. B. ausgegrenzt sind, oder auch kulturell, da stützt sich das Schreiben stark auf Papst Franziskus. Er forderte kulturelle Diversität, das heißt Vielfalt im Gegensatz zur globalen Vereinheitlichung, die er als Verarmung ansah. Weiters spricht das neue Dokument von existenzieller Armut im Sinne der Sinnleere. Das ist ein pastorales Thema. Religionen machen ja Sinnangebote.

 

Welche Lösungsvorschläge bringt Papst Leo gegen die Armut?


Schlagnitweit: Es ist gut, dass das Schreiben keine zu konkreten Vorschläge beinhaltet. Jede Gesellschaft hat andere Problemstrukturen. Ein Sozialstaat wie Österreich hat andere Voraussetzungen als die meisten Länder in anderen Kontinenten. Das Dokument ermutigt, das Christsein auch als politischen Auftrag zu sehen. Ohne Rahmenbedingungen werden Reiche in unserem Wirtschaftssystem immer reicher, und die Abstände werden größer.

 

Welche politischen Entscheidungen wären in Österreich nötig?


Schlagnitweit: Die Budgetknappheit muss man ernst nehmen. Aber man darf nicht die Sozialleistungen verknappen und dabei die Sozialpflichtigkeit des Privateigentums tabuisieren, Stichwort Vermögenssteuern. Es gibt ein Recht auf Privateigentum, aber das Privateigentum unterliegt auch sozialen Pflichten.

 

„Dilexi te“ greift Ansätze der Befreiungstheologie auf. Welche Aussagen sind komplett neu?


Schlagnitweit: Richtig Neues habe ich nicht entdeckt. Das Schreiben ermahnt und erinnert, sich nicht an die Armut zu gewöhnen! Sie muss uns ein Stachel im Fleisch bleiben. Das Wort Jesu „Arme habt ihr immer bei euch“ wurde manchmal als Rechtfertigung für Gleichgültigkeit genützt. Gemeint ist aber Armut als bleibende Herausforderung.
 

Originalzitate

 

121 Absätze hat das Schreiben „Dilexi te“. Es ist in fünf Kapitel gegliedert und umfasst etwa 60 Seiten. Zahlreiche Zitate verweisen auf Papst Franziskus, der mit der Verfassung des Schreibens noch begonnen hat. Papst Leo XIV. selbst schreibt im Dokument: „Da ich dieses Projekt gewissermaßen als Erbe erhalten habe, freue ich mich, es mir – unter Hinzufügung einiger Überlegungen – zu eigen zu machen und es noch in der Anfangsphase meines Pontifikats vorzulegen.“ Die hier ausgewählten Originalzitate geben ein Gefühl für Stil und Inhalt des Schreibens.

 

Reichtum um jeden Preis
„Die Illusion, dass ein Leben in Wohlstand glücklich macht, führt viele Menschen zu einer Lebenseinstellung, die auf Ansammlung von Reichtum und sozialem Erfolg um jeden Preis ausgerichtet ist, auch wenn dies auf Kosten anderer geschieht und man dabei von ungerechten gesellschaftlichen Idealen bzw. politisch- wirtschaftlichen Verhältnissen profitiert, die die Stärkeren begünstigen. Das bedeutet, dass es nach wie vor – manchmal gut getarnt – eine Kultur gibt, die andere ausgrenzt, ohne dies überhaupt zu bemerken, und die es gleichgültig hinnimmt, dass Millionen von Menschen verhungern oder unter menschenunwürdigen Bedingungen überleben.“ (aus Absatz 11)

 

Armut ist nicht selbstgemacht
„Noch weniger ist Armut für die meisten von ihnen eine freie Entscheidung. Und doch gibt es immer noch Personen, die dies behaupten und damit ihre Blindheit und Grausamkeit offenbaren.“
(aus Absatz 14)

 

Nächstenliebe lächerlich?
„Auch Christen lassen sich oft von weltlichen Ideologien oder politischen und wirtschaftlichen Orientierungen anstecken, die zu ungerechten Verallgemeinerungen und abwegigen Schlussfolgerungen führen. Die Tatsache, dass praktizierte Nächstenliebe verachtet oder lächerlich gemacht wird, als handle es sich um die Fixierung einiger weniger und nicht um den glühenden Kern der kirchlichen Sendung …“ (aus Absatz 15)

 

Wenn Menschen weniger wert sind
„Sind diejenigen, die mit weniger Möglichkeiten geboren wurden, als Menschen weniger wert und müssen sich damit begnügen, bloß zu überleben?“
(aus Absatz 95)

 

Nicht „wir“ und „die anderen“
Christen dürfen die Armen nicht bloß als soziales Problem betrachten: Sie sind eine „Familienangelegenheit“. Sie gehören „zu den Unsrigen“. (aus Absatz 104)

 

Taten stärken die Liebe
„Die Liebe und die tiefsten Überzeugungen müssen genährt werden, und dies erfolgt durch Taten.“ (aus Absatz 119)

 

 

Das gesamte Schreiben finden Sie unter:

www.vatican.va/content/leo-xiv/de/apost_ex
hortations/documents/20251004-dilexi-te.html

Markus Schlagnitweit
Markus Schlagnitweit
© johannwagner.photos
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