Wort zum Sonntag
Am Ende ging es ganz schnell: Kardinal Victor Fernández kündigte „Überraschungen“ an und sprach von der guten Verfassung des Papstes. Am nächsten Tag avisierte der Vatikan den ersten Auftritt von Franziskus in der Gemelli-Klinik.
Nur Stunden später verkündeten die behandelnden Ärzte, dass der Papst in den Vatikan zurückkehrt. Ausschlaggebend war eine medizinische Abwägung: Nirgends sei das Infektionsrisiko höher als in der Klinik, so der Notfallmediziner Luigi Carbone.
Man erinnert sich an die Krankenhausvirus-Infektion von Johannes Paul II., die 1981 einen Aufenthalt von 55 Tagen nach sich zog. Die Medizin wird auch die nächsten Monate des 88-jährigen Franziskus prägen. Ärzte und Pfleger wollen darüber wachen, dass sich der Papst an die Auflagen hält: viele Ruhephasen, keine Gruppen-Begegnungen, wenig sprechen. Offen ließen sie, wie lange Franziskus noch zusätzlichen Sauerstoff braucht. Bei der Fahrt in den Vatikan am Sonntagmittag trug er Nasen-Kanülen.
Die beginnende „Verlängerung“ des Pontifikats wird eine Herausforderung für den Papst. So wie er sich im Jahr 2021 als „Franziskus im Rollstuhl“ neu erfunden hat, muss er nun unter zusätzlichen Einschränkungen Wege finden, um er selbst zu bleiben. Seit sein Landsmann Fernández, der als enger Vertrauter gilt, von weiteren Überraschungen sprach, rätselt man in Rom, was das bedeuten könnte. Eine Annahme lautet: Deutlich mehr als früher wird der Papst zum Team-Player. In den Klinikwochen wurde das erprobt.
Immer wieder übernahmen Kardinäle Auftritte – allen voran Kardinalstaatssekretär Pietro Parolin, der ein beinahe allgegenwärtiger Repräsentant des Vatikans geworden ist. Spekuliert wird, ob Franziskus die neue Mitsprache-Kultur, die er seit Jahren für die Kirche predigt, auch in seinem Umfeld einführen wird. Der von ihm geschaffene neunköpfige Kardinalsrat hat seine Arbeit an der Verwaltungsreform der Römischen Kurie längst abgeschlossen. Das Gremium könnte zur Keimzelle für eine kollegialere Führung des Vatikans werden.
Drängende Probleme gibt es genug. Die finanzielle Not des Vatikans ist dramatisch. Der Papst selbst hat mitgeteilt, dass Pensionszahlungen für die Angestellten gefährdet sind. Noch in der Klinik hat er neue Fundraising-Strukturen geschaffen, die sich allerdings erst etablieren müssen. Noch lange nicht erledigt ist auch die innerkirchliche Reformdebatte. Zwar hat Franziskus sie durch eine weltweite Synode unter Laienbeteiligung für eine Weile kanalisiert, doch entschärfen konnte er sie nicht. Noch vom Krankenlager aus ordnete er an, den Debattenprozess um drei weitere Jahre zu verlängern. Die heikelsten Entscheidungen, darunter die Zulassung von Frauen zum Diakonat oder die Öffnung des Priesteramts für Verheiratete, hat er schon mehrfach verschoben.
Falls der Papst jetzt Entscheidungen trifft, wird er auf den Rückhalt bauen, der ihm durch die lebensbedrohliche Erkrankung zugewachsen ist. Von radikalen Reformern bis zu gemäßigt Konservativen haben alle für seine Genesung gebetet. Die Sorge um ihn und der Respekt für das, was er geleistet hat, ist gewachsen. Das könnte ihm für kommende Projekte Rückenwind verschaffen.
Doch bringt die körperliche Schwäche des Papstes auch Gefahren mit sich. Möglich, dass sich – ähnlich wie in der Spätphase des sterbenskranken Johannes Paul II. – ein innerer Kreis der Macht aus Ghostwritern und informellen Sprechern verfestigt. Diese können zwar ein Pontifikat eine Weile in Gang halten, sind aber nicht in der Lage, auf Krisen zu reagieren und die Zukunft zu gestalten.
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