Dr. Mira Stare ist Bibelwissenschaftlerin an der Kath.-Theol. Fakultät Innsbruck und Pfarrkuratorin in der Diözese Innsbruck.
Freitagabend, 22 Uhr. Der Erzbischof von Ende, einer katholischen Diözese in Indonesien, hat eine dichte Arbeitswoche hinter sich. Dennoch setzt er sich zum Computer, um online ein Interview in Österreich zu geben, wo die Uhr erst 16 Uhr zeigt.
Dabei hat Erzbischof Paulus Budi Kleden auch einen intensiven Samstag vor sich: Er wird 13 Diakone zu Priestern weihen. Zu diesem Fest werden viele Gäste im Seminar von Ledalero erwartet, dem wahrscheinlich größten Priesterseminar der Welt. Nach dem festlichen Weihegottesdienst wird die Feier noch lange weitergehen.
Daheim in Indonesien und Mitteleuropa
Das Seminar von Ledalero ist mit einer Hochschule der Steyler Missionare verbunden, der Erzbischof ist einer von ihnen. Nicht nur das: Er leitete den weltweiten Missionsorden sechs Jahre lang als Generalsuperior, bevor ihn Papst Franziskus 2024 zum Erzbischof von Ende ernannte. Einige Jahrzehnte früher war Erzbischof Budi Kleden selbst Student in Ledalero gewesen. Doch einen großen Teil seines Theologiestudiums absolvierte er in Österreich (St. Gabriel) und Deutschland (Freiburg). Auch in der Schweiz lebte er einige Jahre. Seither ist er dem deutschen Sprachraum verbunden.
Der Priester als Autorität
Da Erzbischof Paulus Budi Kleden sowohl die Situation in Mitteleuropa als auch die in Südostasien gut kennt, weiß er, dass die kirchliche Lage unterschiedlich ist. So gibt es in Indonesien relativ viele Priester, erklärt er. Sie würden von den Menschen als Autorität angesehen werden – nicht nur in spirituellen Fragen, sondern auch in kulturellen und sozialen Belangen. „Man fragt einen Priester um seinen Rat und seine Meinung zu vielen Themen“, schildert der Erzbischof die Üblichkeit. „Daher ist auch die Verantwortung, die er trägt, groß.“ Die Versuchung des Klerikalismus sei größer. Priester sollten einander immer wieder ermahnen, dass sie ihre Autorität nicht missbrauchen. Es sei häufiger, so Budi Kleden über die Praxis in Indonesien, dass Priester einander treffen und sich über Freude und Schwierigkeiten austauschen.
Massenproteste zeigen Wirkung
In Indonesien gab es im August und September Massenproteste gegen die Regierung und Politikerprivilegien. Nachdem ein junger Mann von einem Panzer überrollt worden war, wurden die Proteste auch gewalttätig. Erzbischof Budi Kleden sieht die Anliegen der Demonstrierenden grundsätzlich berechtigt. Auch wenn man derzeit nicht mehr auf die Straße gehe, sei die Regierung gefordert, die Lage der Menschen zu verbessern. Vielen gehe es wirtschaftlich schlecht, durch Einsparungen der Zentralregierung habe sich dies weiter verschärft. „Es gibt noch viel zu korrigieren“, zeigt der Erzbischof Verständnis für die Anliegen, auch wenn es auf der Insel Flores, wo Budi Kleden lebt, keine Gewaltdemonstrationen gab.
Austausch unter Bischöfen
Als die Ordensgemeinschaft der Steyler Missionare („Gesellschaft des Göttlichen Wortes“, abgekürzt SVD) im September ihren 150. Gründungstag feierte, befand sich der Erzbischof gerade mit fast 200 anderen Neubischöfen in Rom, um das Bischofsein zu lernen. Sich mit Bischöfen anderer Länder auszutauschen, erlebte Paulus Budi Kleden als Bereicherung, getreu seinem Motto: Mission heißt Brücken bauen.
Paulus Budi Kleden SVD wurde 2024 zum Erzbischof von Ende in Indonesien ernannt und zum Bischof geweiht. Ende liegt etwa in der Mitte der langgestreckten indonesischen Insel Flores und hat 72 Pfarren, fast 500.000 Katholik:innen sowie etwa 250 Priester. Mit Österreich, Deutschland und der Schweiz ist der Steyler Missionar seit seiner Studienzeit verbunden.
Herr Erzbischof, Sie haben bis letztes Jahr einen weltweiten Missionsorden geleitet. Was heißt Mission für Sie?
Paulus Budi Kleden: Mission heißt Brücken bauen – um unseren eigenen spirituellen Reichtum zu vermitteln und uns von anderen bereichern zu lassen. Die Welt von heute braucht sehr viele Brücken. Zwischen den Generationen, zwischen den sozialen Schichten, zwischen den politischen Richtungen – antidemokratischen und demokratischen.
Wie trägt Mission dazu bei?
Kleden: Die Kirche muss führend sein im Versuch, Brücken zu bauen. Das ist heute nötiger denn je, weil die Spaltungen so groß geworden sind. Die Spaltung wird verstärkt von Menschen, die manipulieren, um ihre Macht zu erhalten und ihre Politik um jeden Preis zu betreiben. Da müssen wir als Kirche noch mehr Brücken bauen.
Viele europäische Diözesen holen Priester aus anderen Kontinenten. Wie sehen Sie diesen Trend?
Kleden: In der katholischen Kirche war es immer schon so, dass man einander hilft. Als wir in Indonesien wenige Priester hatten, kamen Missionare aus Europa. Jetzt ist es umgekehrt. Das Prinzip ist gleich: dass sich die Lokalkirchen gegenseitig helfen.
Wie kann das gut gelingen?
Kleden: Wichtig ist eine gute Vorbereitung. Dass man die Sprache beherrscht, denn sie ist der Schlüssel zu den Herzen der Menschen. Dass man die Kultur kennenlernt und die Verhältnisse in der Kirche. Unter dieser Voraussetzung sehe ich es als Bereicherung. Es braucht aber Vorbereitung auf beiden Seiten: Vorbereitung des Priesters, der kommt, und der Leute, die ihn aufnehmen.
Warum ist das wichtig?
Kleden: Es gibt einen wesentlichen Unterschied zu früher, die Voraussetzungen heute sind anders: Die europäischen Missionare hatten fast überall hohes Ansehen. Die Missionare, die heute nach Europa kommen, kommen mit spirituellem Reichtum und leeren Händen. Die Position ist für sie schwieriger.
Indonesien wurde von Portugal und später von Holland kolonialisiert. Wird die Verflechtung von Kolonialisierung und Mission heute als problematisch gesehen?
Kleden: Nicht wirklich. Trotz der christlichen Kolonialisierung blieben die meisten Indonesier Muslime. Während der Unabhängigkeitsbestrebungen Indonesiens sagte ein Priester und späterer Bischof: Wir sind 100% katholisch, und wir sind 100% indonesisch. Das ist ein wichtiger Slogan der Katholiken, um zu sagen, dass wir nicht eine Verlängerung der Kolonialmacht sind.
Indonesien ist eine der größten Demokratien der Welt. Demokratie als Staatsform ist weltweit in Gefahr. Auch in Indonesien?
Kleden: Die jüngsten Großdemonstrationen haben gezeigt: Wie die Regierung gewählt wird, ist eine Sache. Eine andere Sache ist, wie sie sich für das Wohlergehen der Menschen einsetzt und wie demokratisch sie Ziele verfolgt. Da haben wir noch einen Weg vor uns. Auf diesem Weg sind die Beiträge vieler wichtig, auch der Beitrag der Kirche, zum Beispiel durch ihre Bildungseinrichtungen. Und durch die Unterstützung für Menschen, die ihre Meinung äußern. So stärken wir die Demokratie.
Vielen Dank für das Gespräch!
Der Weltmissionssonntag im Heiligen Jahr 2025 steht am 19. Oktober unter dem Motto „Missionare der Hoffnung unter den Völkern“.
Die Spendenkampagne zum Weltmissionssonntag ist die größte Solidaritätsaktion von Katholikinnen und Katholiken weltweit.
Katholische Organisationen in rund 100 Staaten sammeln seit 1926 an diesem Tag für soziale und seelsorgliche Arbeit der Kirche in den ärmsten Diözesen der Welt.
19. Oktober
In Österreich wird der Weltmissionssonntag am 19. Oktober begangen. Er bildet den Abschluss des Monats der Weltmission.
Persönliche Beziehungen
Das Motto verkündete Anfang 2025 noch Papst Franziskus. Er lud dazu ein, Menschen „Nähe, Mitgefühl und Zärtlichkeit“ entgegenzubringen sowie persönliche Beziehungen aufzubauen und zu pflegen, die gegen eine „Krise des Menschlichen“ wirken.
Dr. Mira Stare ist Bibelwissenschaftlerin an der Kath.-Theol. Fakultät Innsbruck und Pfarrkuratorin in der Diözese Innsbruck.
Jetzt die KIRCHENZEITUNG 4 Wochen lang kostenlos kennen lernen. Abo endet automatisch. >>