Wort zum Sonntag
Wenn es nicht schon ein „Elisabethinisches Zeitalter“ in der englischen Geschichte gäbe (das gut 400 Jahre zurückliegt), würde die 70-jährige Regierungszeit von Elizabeth II. rückblickend so genannt werden. Die Geschichtsschreibung wird eine passende Bezeichnung finden, etwa „Zweites Elisabethinisches Zeitalter“ oder eine elegantere Formulierung.
Geprägt war diese Zeit, so wird es wohl in den Schulbüchern stehen (falls es in Zukunft Schulbücher geben wird), von enormen Veränderungen in allen Bereichen der Gesellschaft. Das Leben auf den Britischen Inseln wurde multiethnisch und multireligiös, elektronisch und von neuen Wertvorstellungen geprägt.
Während in Europa Friede herrschte und der Wohlstand im Allgemeinen wuchs, blieben große soziale Unterschiede bestehen und sorgten für Spannungen. Als die Welt sich in einem nie dagewesenen Tempo änderte, sorgte Eli-zabeth II. für Kontinuität. Bei allen Widersprüchen in der Gesellschaft des Vereinigten Königreichs bewirkte ihre unbeirrbare Pflichterfüllung als Königin, dass sich ein Großteil der Menschen in Großbritannien mit dem (wenn auch skandalgebeutelten) Königshaus identifizierte.
„Dass mein ganzes Leben, ob es lang oder kurz ist, in eurem Dienst stehen wird ...“, versprach die 21-jährige Thronfolgerin ihrem Land 1947. Ihre Aufgabe sah sie im Dienen. Das liege im christlichen Amtsverständnis der Königin, erklärt Pfarrer Patrick Curran von der anglikanischen Kirche in Wien. Elizabeth II. habe nach dem Vorbild der Fußwaschung gelebt. „Das Gebet war ihr wichtig. Sie war bereit, öffentlich über Gott und Jesus zu reden, besonders in ihren Weihnachtsbotschaften.“
Außerdem war sie das weltliche Oberhaupt der anglikanischen Staatskirche „Church of England“. Sie unterzeichnete die Bischofs-ernennungen und eröffnete nicht nur Parlamentssitzungen, sondern auch Generalsynoden, erläutert Patrick Curran. „Die Generalsynode ist wie ein Kirchenparlament. Sie besteht aus dem Haus der Bischöfe, dem Haus der Priester, Diakone und Ordensleute und dem Haus der Laien. Da werden wichtige Fragen entschieden, z. B. wer das Priesteramt bekleiden kann.“ In den meisten der 42 anglikanischen Kirchenprovinzen und fünf Nationalkirchen weltweit, die aus rund 500 Diözesen mit 80 Millionen Mitgliedern bestehen, werden Frauen zu Priestern geweiht. „Das hat einen Bruch ausgelöst, zum Beispiel in Amerika“, sagt Curran.
In Schottland war Königin Elizabeth II. nicht Kirchenoberhaupt, wohl aber Mitglied der presbyterianischen Kirche von Schottland. Auf den englischen König Heinrich VIII., der die anglikanische Kirche vor fast 500 Jahren begründete, geht der Erbtitel „Verteidiger des Glaubens“ zurück, der von Elizabeth II. auf King Charles III. übergeht. Bereits vor fast 30 Jahren hatte Prinz Charles darüber nachgedacht, den Titel umzudeuten von „Verteidiger des Glaubens“ auf „Verteidiger der Religionen“. Vor zehn Jahren formulierte es die Königin ähnlich: „Die Aufgabe der Church of England ist nicht, den anglikanischen Glauben zum Nachteil der anderen Religionen zu verteidigen. Nein, stattdessen hat die Church of England die Pflicht, die freie Ausübung aller Religionen im Land zu beschützen.“ Patrick Curran erinnert daran, dass durch die Zuwanderung nach Großbritannien muslimische und jüdische ebenso wie Hindu- und Sikhs-Gemeinden stark zugenommen haben.
Die Beziehung zwischen der Church of England und der römisch-katholischen Kirche hat sich in den letzten Jahrzehnten wesentlich gebessert. Fehlten bei der Krönung von Elizabeth II. die katholischen Bischöfe noch, könnten sie doch dabei sein, wenn Charles III. gekrönt wird. Mit dem 1999 verstorbenen römisch-katholischen Erzbischof von Westminster, Kardinal Basil Hume, soll Königin Elizabeth II. befreundet gewesen sein. Die Päpste der letzten 70 Jahre traf sie fast alle persönlich. Schon als Thronfolgerin reiste sie in den Vatikan, wofür sie in ihrer Heimat kritisiert wurde.
1982 besuchte Papst Johannes Paul II. England. Zu dieser Zeit war das ökumenische Gespräch weit fortgeschritten, erinnert Pfarrer Curran, sogar in Richtung der gegenseitigen Taufanerkennung. Doch der Papst sandte keine Signale der Bereitschaft aus, was die Türen wieder verschloss. Insgesamt ist das ökumenische Verhältnis aber konstruktiv, zumindest unter denen, die dazu bereit sind. „Vermittlung wäre wichtig“, meint Curran – damit die interkonfessionellen Gespräche nicht das Privileg einzelner Weniger bleiben.
Papst Franziskus traf die Königin 2014 im Vatikan. An ihrem Todestag telegrafierte er an König Charles III., drückte sein Beileid aus, würdigte die Verstorbene und versicherte den Thronfolger seines Gebets. Wenn Elizabeth II. am 19. September beigesetzt wird, begleiten sie Dankesworte nicht nur von Staatsoberhäuptern, sondern von vielen Vertreter/innen der Religionen.
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