Wort zum Sonntag
Jahrhundertelang war es ein Viertel für „Randgruppen“ wie Ausländer, Juden, Arbeiter:innen. „Trastevere“ heißt der Stadtteil, auf Deutsch „jenseits des Tiber“. Jenseits des Flusses liegt Trastevere, wenn man es von der Altstadt Roms mit ihren Sehenswürdigkeiten aus betrachtet. Vom Vatikan aus gesehen liegt Trastevere diesseits des Tiber, zu Fuß gut erreichbar. Heute ist das Viertel Tourismusmagnet und belebte Ausgehmeile. In seinem Zentrum steht die Basilika Santa Maria in Trastevere mit ihren 900 Jahre alten Mosaiken.
Täglich halten hier Mitglieder der sozial engagierten katholischen Gemeinschaft SantʼEgidio ihr gemeinsames Abendgebet. Jeden Samstagabend ist die Kirche voll, wenn die Gemeinschaft zur Sonntagvorabendmesse einlädt. Einer, der nicht regelmäßig, aber sehr gerne immer wieder herkommt, um als Konzelebrant oder im Volk die Messe mitzufeiern, ist der Rektor der Benediktinerhochschule SantʼAnselmo, Pater Bernhard Eckerstorfer.
Er spaziert dann vom ruhigen und eleganten Hügel Aventin, auf dem Benediktinerkloster und Hochschule liegen, zu Fuß in die Stadt, überquert den Tiber, taucht ein in das Gewimmel von fremden und einheimischen Menschen und freut sich, in der Liturgie ausnahmsweise keine große Verantwortung zu tragen, sondern einfach mitfeiern zu können.
Bereits in seiner weiterführenden Studienzeit in Rom 2001 bis 2003 hat er SantʼEgidio für sich entdeckt. „SantʼEgidio ist eine Bewegung, die in Rom, in Italien und weltweit viel bewirkt hat und wo ich die Spiritualität, auch eine frisch gefeierte Liturgie, für mein eigenes Leben als Benediktinermönch sehr positiv und bereichernd finde.“ Außerdem studieren Seminaristen von SantʼEgidio an Pater Bernhards Hochschule, auch das schafft eine Verbindung.
Die Hochschule mit der ehrwürdigen Bezeichnung „Päpstliches Athenäum SantʼAnselmo“ besteht seit 136 Jahren und hat drei Fakultäten: eine liturgische, eine theologische und eine philosophische. 600 Studentinnen und Studenten aus 70 Ländern widmen sich hier ihren grundlegenden und weiterführenden Studien. Die meisten wohnen nicht im Benediktinerkolleg, sondern in verschiedenen Seminaren, Klöstern oder Studentenzimmern Roms und verbringen die Zeit nur tagsüber auf dem Aventin.
2019 wurde der Kremsmünsterer Benediktiner Bernhard A. Eckerstorfer zum Rektor von SantʼAnselmo gewählt. „Ich war sehr glücklich in Kremsmünster“, erinnert sich Eckerstorfer an die Zeit der Weichenstellung. „Als Novizenmeister hatte ich die schönste Aufgabe im Kloster. Gemeinsam mit Jugendarbeit, Pastoralarbeit, Schulunterricht und Lehraufträgen an der Uni war das sehr erfüllend.“
Daher war die Entscheidung, dem Ruf nach Rom zu folgen, nicht leicht. „Die Frage war aber nicht, wo ich es leichter habe, sondern wo ich gebraucht werde.“ Abgesehen davon war nicht nur seine persönliche Zustimmung nötig, sondern auch die der Kremsmünsterer Klostergemeinschaft. Und diese entschied sich für die „Leihgabe“ ihres Mitbruders nach Rom.
Die Zeit als Rektor dauert vier bis acht Jahre. Danach könnte Bernhard Eckerstorfer als Professor in SantʼAnselmo bleiben. Nach wie vor gehört er aber zum Stift Kremsmünster. Wo auch immer es ihn hinziehen wird: Das Unterrichten scheint ihm im Blut zu liegen. „Meine schönsten zwei Stunden in der Woche sind vielleicht die, in denen ich selber eine Vorlesung halte.“
Das heißt nicht, dass ihm die anderen Aufgaben als Rektor nicht liegen würden – die Leitung der Hochschule und ihre Vernetzung mit anderen Hochschulen. Allerdings war Vernetzung in den Anfangsjahren wegen der Pandemie kaum möglich. „Eine Rektorenkonferenz online ist eben nur auf das Notwendigste beschränkt.“
Dafür haben die schwierigen Bedingungen der Pandemie andere Möglichkeiten eröffnet: „Genau drei Monate nach der Übersiedlung aus Kremsmünster musste ich wegen des ersten Lockdowns den Lehrbetrieb an der Hochschule einstellen. Deshalb haben wir in den Hörsälen Technik für interaktive Online-Lehre eingebaut. In diesem Bereich sind wir weiterhin sehr aktiv, besonders mit Vorlesungen über das Mönchtum. Wir haben ein weltweit einzigartiges Institut für monastische Theologie.“
Ordensbrüder und Ordensschwestern sowie Interessierte aus der ganzen Welt können an den Online-Veranstaltungen über die Spiritualität des Mönchtums teilnehmen. „Gerade in einer Welt des Umbruchs, wie heute, ist eine Rückbesinnung auf die Quellen des Mönchtums wichtig.“
Die Quellen könnten Impulse für Reformen in der Kirche geben, ist P. Bernhard Eckerstorfer überzeugt. „Wir brauchen nicht bei null anfangen. Unser Selbstbild ist, dass wir anderen Epochen technisch weit voraus sind. Wir können aber viel lernen von anderen Epochen!“
Und auch von anderen Erdteilen könnten wir viel lernen. „Wir sind noch sehr europazentriert. Unsere Studierenden müssen hauptsächlich europäische Philosophie lernen. In Europa reden wir von Vielheit, gehen aber nur von unseren Konzepten aus. Wie wird in Afrika oder Asien Theologie betrieben? Das ist nach wie vor wenig beachtet. Wir stecken noch sehr im kolonialen Denken, auch in der Theologie und in der Kirche. Das ist schade.“
Papst Franziskus nennt Eckerstorfer einen starken Impulsgeber der Internationalisierung. Das zeige sich unter anderem an den Kardinalsernennungen, die mehr und mehr die Weltkirche abbilden. Auch im eigenen Bereich bemüht sich der Rektor um Vielfalt. „Ich versuche ganz bewusst, einerseits den Frauenanteil unter Lehrenden und Studierenden zu heben und andererseits zu schauen, wie wir auch Lehrende aus anderen Erdteilen bekommen. Damit es zu einer Öffnung und Weitung kommt und zu einer Pluralität, die wir fordern, aber leider immer noch viel zu wenig einholen.“
Von der eurozentrischen Perspektive abzurücken, sei sicher ein bleibendes Verdienst von Papst Franziskus, auch wenn ein Kulturwandel eben immer seine Zeit brauche.
Schildkröten genießen den kühlen Steinboden im Kreuzgang von SantʼAnselmo.
Bernhard Eckerstorfer wurde 1971 in Linz geboren und auf den Namen Andreas getauft. In Salzburg und den USA studierte er Geographie und Theologie. Nach dem Zivildienst als Obdachlosenbetreuer in Linz trat er 2000 ins Benediktinerstift Kremsmünster ein und nahm den Namen Bernhard
an.
Seit 2017 ist er im wissenschaftlichen Beirat von SantʼAnselmo, seit 2020 Rektor. 2022 wurde er zum Berater der vatikanischen Behörde für den Gottesdienst und die Sakramentenordnung berufen.
Serie in der Kirchenzeitung mit Pater Eckersdorfer zu "Rom entdecken"
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