Wort zum Sonntag
Dass Franziskus den Überfall auf die Ukraine seit Beginn des Krieges scharf und klar verurteilte, die Ukrainer ständig seiner Solidarität versicherte, reichte vielen nicht. Sie wollten, dass er den Aggressor beim Namen nennt, wollten noch deutlichere Solidaritätsgesten an die Ukraine. Also küsste er bei einer Generalaudienz eine verschmutzte ukrainische Fahne, die man in Butscha gefunden hatte, wo russische Soldaten hunderte Zivilisten ermordet hatten.
Aber dann kritisierte der Papst angekündigte Erhöhungen von Rüstungsetats und weitere Waffenlieferungen. Sofort empörten sich etliche, Franziskus falle westlichen Staaten und der Nato in den Rücken. Dabei hatte der Papst die Worte „Nato“ und „Westen“ gar nicht in den Mund genommen.
Schließlich nannte Franziskus in einem Interview mit dem „Corriere della Sera“ erstmals seit Beginn des Kriegs Russland und Präsident Wladimir Putin beim Namen. Und gestand, anstatt nach Kiew wolle er lieber nach Moskau reisen. Er sei allerdings nur ein Priester und könne nur tun, was ein Priester tun kann. Miteinander sprechen.
Franziskus will die noch so dünnen Gesprächsfäden nach Moskau nicht abreißen lassen, einen Türspalt offen halten. Besonders wichtig ist ihm dies bei einem Konfliktbeteiligten, der auf einem riesigen Arsenal von Atomwaffen sitzt. Franziskus möchte Putin aus der Ecke holen – in der Russlands Präsident noch weiter um sich schlagen könnte.
Inzwischen setzt Franziskus bei seinem Bemühen um Vermittlung weniger auf den russisch-orthodoxen Patriarchen Kyrill. Der hatte ihm bei einem Videogespräch Mitte März wie ein General geografische Karten vorgelegt und Moskaus Gründe für die spezielle „Militäroperation“ erklärt.
Doch Franziskus wischte das beiseite: „Bruder, wir sind keine Staatskleriker und dürfen nicht die Sprache der Politik, sondern müssen die Sprache Jesu sprechen“, wies er Kyrill zurecht. Gegenüber dem „Corriere“ schob Franziskus nach: „Der Patriarch kann sich nicht zum Ministranten Putins machen.“ Er sagte nicht, dass Kyrill bereits Putins Oberministrant sei. Trotzdem ist dies nicht mehr vornehm zurückhaltende vatikanische Diplomatensprache.
Moskaus Replik ließ nicht auf sich warten: Der Papst habe sich im Ton vergriffen. Ein für Mitte Juni geplantes Treffen der beiden ist inzwischen abgeblasen.
Von einer Abhängigkeit des Papstes vom Moskauer Patriarchen, wie es ihm unlängst Kritiker vorwarfen, kann schlecht die Rede sein. Bei aller Solidarität mit Schwachen will Franziskus sich von niemandem vereinnahmen lassen. Und so legte er nach. Ohne ein Recht auf Selbstverteidigung grundsätzlich infrage zu stellen, wiederholt er Zweifel an Waffenlieferungen an die Ukraine.
An anderer Stelle hatte Franziskus eingeräumt, er verstehe jene, die aufrüsten und Waffen liefern wollen. Aber er teile ihre Sicht nicht. Damit bleibe man in der Logik der Gewalt gefangen. Franziskus denkt in der Logik Jesu und dessen Bergpredigt. Wer, wenn nicht der Papst, sollte das tun? Das legt er nicht nur seinem orthodoxen Bruder Kyrill eindringlich ans Herz. Sondern allen. «
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