Wort zum Sonntag
Im Nachhinein ist man oft klüger. Als eine Gruppe von Journalistinnen und Journalisten aus Österreich in der letzten Juniwoche fünf der 16 Dikasterien des Vatikans besuchte, gab es nur eines, in dem nicht der Chef selbst zum Gespräch kam: das Dikasterium für die Glaubenslehre.
Zwar hieß der Präfekt, Kardinal Luis Ladaria, die Gäste, die mit Kardinal Christoph Schönborn kamen, herzlich willkommen, zog sich dann aber zurück und überließ das Gespräch drei hochrangigen Mitarbeitern. Warum gerade er, fragte man sich.
Einen plausiblen Grund verkündete der Vatikan vier Tage später: Kardinal Ladaria darf sich in den Ruhestand verabschieden und bekommt einen argentinischen Nachfolger. Naheliegend, dass Ladaria kurz vor Amtsübergabe kein großes Interview gab. Dennoch war der Austausch im Dikasterium erhellend. In den Blick rückte etwa, dass seine Aufgabe nicht nur die Verteidigung der Glaubenslehre ist (wie es in der Nachfolge der Inquisition zu erwarten ist), sondern auch deren Förderung.
Auf Nachfrage zur „Causa Lintner“ waren allerdings auch scharfe Töne zu hören. Die akademische Freiheit sei nicht das höchste Gut, das es zu bewahren gelte. Zwischen kirchlicher Missio und akademischer Freiheit müsse man die richtigen Prioritäten setzen. Ehrliche Worte, die ausdrückten, worauf die Gäste durchaus hätten verzichten können.
Was man den Vertretern des Glaubensdikasteriums lassen muss: Zum Thema Missbrauch gab es auch klare Worte, kein Herum- und Herausreden, sondern ein deutliches Bekenntnis zu „Man kann nie genug dagegen tun“!
Neben dem deutschsprachigen Raum seien es die USA, Irland, Polen und Italien, die Missbrauchs-Aufarbeitung betreiben, in anderen Teilen der Welt sei das noch tabu – „Das Schweigen bricht landesweise auf und bringt dann eine Welle von Meldungen aus dem jeweiligen Land“.
Nicht nur in anderen Teilen der Welt, auch in anderen Dikasterien scheint das Wort „Missbrauch“ noch heftige Abwehrreaktionen auszulösen. Der charmante italienische Erzbischof Rino Fisichella, der eine leitende Funktion im Dikasterium für die Evangelisierung ausübt, sagte einen wichtigen Satz: „Wenn wir nicht glaubwürdig sind mit unserem Leben – welche Spiritualität können wir weitergeben?“
Auf die Frage, wie die Kirche in anderen Erdteilen (für die das Dikasterium zuständig ist) ihre durch sexuellen Missbrauch durch Kleriker verlorene Glaubwürdigkeit wiederfindet, gab es außer Abwiegelungsversuchen (es waren Einzelfälle, wir sind nicht für alles Schlechte in dieser Welt verantwortlich, Missbrauch gibt es auch anderswo) keine Ansätze des transparenten und konstruktiven Umgangs damit.
Neben Dikasterien wurde das Generalsekretariat der Bischofssynode besucht. Kardinal Mario Grech koordiniert den weltweiten synodalen Prozess mit den Bischofssynoden 2023 und 2024. Wie in einem Wohnzimmer saß er auf dem Sofa mitten unter den Interessierten, hielt keine lange Einführungsrede, sondern begann mit der Frage: „Worüber würden Sie denn gerne sprechen?“ Themen gab es viele, die Antworten waren ehrlich und daher auch nicht immer aussagekräftig.
„Wir hoffen, dass es Ergebnisse geben wird, aber wir wissen tatsächlich nicht, welche.“ Die Methode weckt dennoch Neugier und Hoffnung. „Wir werden nicht in der Synodenaula tagen, wo die Bischöfe immer in Reihen hintereinander saßen, sondern in einem Saal mit runden Tischen, an denen sich je zehn bis zwölf Personen zum Austausch treffen, Bischöfe, Kleriker und Laien.“
Die bereits bekannte spirituelle Kommunikation mit ihrem Rhythmus aus Schweigen, Zuhören und Reden werde weiter gepflegt. „Wir brauchen in der Synode einen sicheren Ort, wo jeder sagen kann, was er oder sie will, ohne sofort einen Konflikt auszulösen. Vermeiden Sie nicht die Verschiedenheit der Stimmen!“
Durchaus verschieden klangen auch die Stimmen in den weiteren Dikasterien – für ganzheitliche Entwicklung, zur Förderung der Einheit der Christen und für die Kommunikation. Die Vielstimmigkeit der Verantwortlichen erweckte den Eindruck, dass „der Vatikan“ ein Klischee ist, das so einheitlich nicht existiert, wie man von außen meint.
Besonders überzeugt hat – trotz der faszinierenden, aber in der prallen Sonne ermüdenden Generalaudienz mit Papst Franziskus unmittelbar davor – das Treffen mit Kardinalstaatssekretär Pietro Parolin. Während seine Persönlichkeit Freundlichkeit und Ruhe ausstrahlt, ist er im Gespräch hellwach, bringt Dinge auf den Punkt und in viele Aussagen noch eine Prise Humor. Als Leiter des Staatssekretariats steht er über den Dikasterien und ist unter anderem für die Beziehungen des Vatikans zu anderen Staaten zuständig. Was die Kurienreform betrifft, urteilt er nüchtern realistisch. Die Reform sei auf struktureller Ebene umgesetzt.
Anders sei es mit dem inhaltlichen Auftrag, dass die Kurie im Dienst der Verkündigung des Evangeliums stehen soll. „Das wird noch dauern. Das Prinzip der Synodalität braucht Zeit. Es geht darum, Prozesse anzustoßen. Erst wenn sie gegriffen haben, ist die Reform angekommen.“
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