Wort zum Sonntag
In den grünen Teegärten von Assam wuselt es. Mit flinken Handbewegungen pflücken Arbeiterinnen Teeblätter und füllen damit ihre Körbe. Der nordostindische Bundesstaat mit mehr als 35 Millionen Einwohnern ist nicht nur der größte Teeproduzent des Landes, sondern er zählt auch zu den größten Teeanbaugebieten weltweit.
Geerntet werden die Blätter per Hand, damit die wertvollen ätherischen Öle, die dem Tee sein kräftig herbes Aroma verleihen, möglichst erhalten bleiben. Die Arbeit ist mühsam. Damit die Last der Teekörbe besser erträglich ist, sind sie mit einem dicken Band oder Seil über Tüchern auf den Köpfen der Teepflückerinnen befestigt. Das Arbeitspensum ist hoch. Die Ausbeutung der Arbeitskräfte ebenso. Am stärksten davon betroffen sind Frauen aus den verschiedenen indigenen Stämmen (in Nordostindien sind es insgesamt mehr als 200; dazu zählen auch vier Prozent Christen in Assam) – darunter die Adivasi. Und auch Kinder.
Die Familien, die hier in den 2500 Teegärten Assams leben und arbeiten, sind arm und nicht selten abhängig von den Plantagenbesitzern, denen sie Geld schulden. Die Rechte der Teepflückerinnen sind zwar im Plantagenarbeitergesetz festgeschrieben; doch eingehalten werden sie meist nicht. Es fehlt an gerechter Entlohnung, an geregelter Arbeitszeit, an zur Verfügung gestellten angemessenen Unterkünften, an Sicherheitsstandards und medizinischer Versorgung und an funktionierenden Schulen und Tagesstätten für die Kinder der Arbeiterinnen. Auch für sauberes Trinkwasser, das ihnen zur Verfügung gestellt werden müsste, ist nicht gesorgt. Es mangelt an Toiletten mit Wasserspülung, dafür gibt es Plumpsklos, die sich die Plantagenarbeiter teilen. Über ihre Rechte wissen die 6,5 Millionen Menschen, die in diesem wirtschaftlich wichtigen Arbeitszweig Nordostindiens beschäftigt sind, kaum Bescheid; viele von ihnen können weder lesen noch schreiben.
Die prekäre Situation der Teearbeiterfamilien wird häufig von Menschenhändlern gezielt ausgenutzt. Sie versprechen den Eltern eine Schulausbildung oder eine gut bezahlte Arbeit für ihren Nachwuchs – vor allem Mädchen – in der Stadt. Doch in den meisten Fällen verschwinden diese Kinder, die als Arbeitssklaven verkauft oder sexuell ausgebeutet werden.
Die Last der vollen Teekörbe kann je nach Plantage täglich 25 Kilogramm und mehr betragen. Sangita, Roma und Soba zählen zu den vielen Teepflückerinnen, die ein hartes Los haben. Hilfe war und ist hier nach wie vor dringend nötig. Für die Rechte der Arbeiter in den Teegärten Nordostindiens setzt sich seit 2001 die kirchliche Menschenrechtsorganisation LCHR (Legal Cell for Human Rights) ein. Geleitet wird sie vom Jesuitenpater Owen Chourappa, der kürzlich in Wien zu Gast war. Er ist Projektpartner der Dreikönigsaktion, dem Hilfswerk der Katholischen Jungschar. Der Jurist und praktizierende Anwalt klärt mit seinem Team die Betroffenen über ihre Rechte im Bereich Arbeit, Kinder und Bildung auf und vertritt sie bei Bedarf vor Gericht. Durch die Unterstützung von LCHR konnte auch den großen Problemen der Kinderarbeit und des Menschenhandels entgegengewirkt werden. In Form von Straßentheateraufführungen in den Teeplantagen findet spielerisch Bewusstseinsförderung statt. So sind Eltern vor den skrupellosen Machenschaften der Menschenhändler besser gewappnet.
Um Hilfe zur Selbsthilfe zu schaffen und sich kompetent gegen Ausbeutung und Entrechtung zu wehren, bildet LCHR zusätzlich Leute als Rechtslaien aus und baut Kinderschutzkomitees und anwaltschaftliche Rechtshilfegruppen auf. Die 500 so genannten „Barfußanwälte“ tragen ihr Wissen in die Teegärten der Region direkt zu den Arbeitern weiter. Dadurch hat sich die Lage der Menschen in den vergangenen Jahren stark verbessert. In manchen Fällen ist es auch gelungen, Kinder aus den Fängen der Menschenhändler zu befreien – ein Unterfangen, das riskant und gefährlich ist.
Pater Owen Chourappa macht darauf aufmerksam, dass der Tee aus der Region Assam, den Menschen weltweit trinken, vor allem von den weiblichen Plantagenarbeiterinnen unter besonders harten Bedingungen gepflückt wird. „Das ist wichtig zu wissen. Wir müssen darauf achten, dass ihre Rechte gewahrt und umgesetzt werden. Wir sind für diese Leute, die keine Fürsprecher haben, da. Auch in Zukunft“. «
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