Wort zum Sonntag
„Vater, in deine Hände lege ich meinen Geist.“ Mit diesen letzten Worten Jesu am Kreuz begann Papst Franziskus am Donnerstag vergangener Woche seine mit Spannung erwartete Predigt beim Requiem für den sechs Tage zuvor verstorbenen ehemaligen Papst Benedikt XVI. Und in ähnlich allgemein gehaltenen Worten und theologischen Zitaten – etliche davon stammten aus Schriften des Verstorbenen – bewegte er sich in seiner gesamten Predigt.
Erst ganz gegen Ende sprach er die Trauergemeinde und den Verstorbenen direkt an und sagte: „Das gläubige Volk Gottes versammelt sich, es begleitet das Leben dessen, der sein Hirte war und vertraut es dem Herrn an. (...) wir sind hier mit dem Wohlgeruch der Dankbarkeit und der Salbung der Hoffnung, um ihm noch einmal die Liebe zu erweisen, die nicht vergeht; wir wollen dies mit derselben Salbung und Weisheit, mit demselben Feingefühl und derselben Hingabe tun, die er uns im Laufe der Jahre zu schenken wusste.“
Und dann folgte zum Ende ein Satz, der, wie der deutsche Bischofskonferenz-Vorsitzende Georg Bätzing hinterher sagte, die Herzen tief bewegte: „Benedikt, du treuer Freund des Bräutigams, möge deine Freude vollkommen sein, wenn du seine Stimme endgültig und für immer hörst!“
Manche Zuhörer äußerten sich anschließend trotzdem enttäuscht, dass Franziskus nicht ähnlich würdigend über seinen Vorgänger gesprochen hatte, wie dies zuletzt Kardinal Joseph Ratzinger 2005 beim Requiem für Johannes Paul II. tat. Doch der Papst aus Argentinien stand beim Requiem für seinen emeritierten Vorgänger vor einer komplett anderen Situation.
Der amtierende Papst musste bei der weltweit übertragenen und hundertfach kommentierten Trauermesse darauf achten, dass er den richtigen Ton traf und zugleich irreführende Gedanken vermied. Kein Wort durfte dabei sein, das als Bewertung des Wirkens des Vorgängers zu deuten war. Denn dessen Pontifikat und das von Papst Franziskus waren biographisch miteinander verwoben, weil Benedikt zehn Jahre lang als „Papa emeritus“ mehr oder weniger schweigend das Pontifikat des Nachfolgers begleitete.
Aber so, wie einst der Vorgänger sich mit Bewertungen nicht in das Pontifikat des Nachfolgers einzumischen hatte, wollte auch der Nachfolger nicht im Nachhinein die theologischen oder kirchenpolitischen Entscheidungen des Vorgängers kommentieren. Daran hat er sich in all seinen Äußerungen seit dem Tod Benedikts orientiert.
Zurückhaltung legte er sich auch deshalb auf, um sich nicht vorab in die bereits aufkeimenden Debatten über eine Selig- oder Heiligsprechung einzumischen. Denn die Rufe „Santo Subito!“ waren auch am Ende des Requiems für „Papa Ratzinger“, wie die Italiener ihn liebevoll nennen, nicht zu überhören.
Nach den gemischten Erfahrungen mit der rasanten Heiligsprechung für Johannes Paul II. gibt es derzeit nur wenige in der Kirche, die eine ähnlich schnelle Seligsprechung für weitere Päpste fordern. Bätzing sagte unmittelbar nach der Beisetzung: „Ich finde nicht, dass jetzt der Zeitpunkt dafür ist.“ Wenn die Seligsprechung auf sich warten lässt, ist im Falle Benedikts aber auch eine baldige offizielle Ernennung zum „Kirchenlehrer“ – sie setzt üblicherweise eine vorherige Heiligsprechung voraus – nicht in Sicht.
Dennoch ließ es aufhorchen, als Franziskus in seiner ersten Generalaudienz nach dem Tod des Vorgängers sagte, dieser sei ein „großer Lehrmeister der Glaubensunterweisung“ gewesen.
Und in der offiziellen Pontifikatsurkunde, dem „Rogitum“, das ihm für die kommenden Jahrhunderte mit in den Sarg gelegt wurde, war zu lesen: „Als Theologe von anerkannter Autorität hat er ein reiches Erbe an Studien und Forschungen über die grundlegenden Wahrheiten des Glaubens hinterlassen.“
Ähnlich äußerte sich auch Bätzing, der ihn „zweifellos einen Lehrer der Kirche“ nannte. Ob daraus aber die förmliche Ernennung zum „Doctor ecclesiae“, wie sie zuletzt Hildegard von Bingen zuteil wurde, folgen wird, steht in den Sternen.
An der Trauerfeier auf dem Petersplatz nahmen laut Vatikan 50.000 Menschen teil. Vor Beginn des Requiems um 9.30 Uhr wurde der verschlossene Holzsarg mit dem Leichnam des emeritierten Papstes von zwölf Trägern auf den Vorplatz des Petersdoms („Sagrato“) gebracht. Der langjährige Privatsekretär von Benedikt XVI., Erzbischof Georg Gänswein, legte anschließend ein Evangelienbuch auf den Sarg. Danach beteten die Menschen den Rosenkranz.
Papst Franziskus stand der anschließenden Trauerfeier vor, zelebrierte aber nicht selbst – wie in jüngster Zeit wegen seiner gesundheitlichen Schwierigkeiten infolge eines Knieleidens öfters geschehen. Die Zelebration am Altar übernahm der Dekan des Kardinalskollegiums, Kardinal Giovanni Battista Re.
Zehntausende Menschen applaudierten als Zeichen des Respekts, als der Sarg nach der Totenmesse in den Petersdom getragen wurde. Dort fand in der Krypta die eigentliche Beisetzung im kleinen Kreis statt. Die Prozession hinter dem Sarg wurde von Erzbischof Gänswein angeführt.
Benedikt XVI. hatte sich das frühere Grab seines 2005 verstorbenen Vorgängers Johannes Paul II. als Bestattungsort gewünscht. Seit Sonntag ist seine letzte Ruhestätte für die Öffentlichkeit zugänglich.
Viele hochrangige Vertreter aus Kirche, Religionen und Politik nahmen an der Totenmesse teil. Unter den rund 130 Kardinälen war auch der Wiener Erzbischof Kardinal Christoph Schönborn. Aus der katholischen Kirche in Österreich feierten u. a. zudem der Bischofskonferenz-Vorsitzende und Salzburger Erzbischof Franz Lackner, der Grazer Bischof Wilhelm Krautwaschl, der Eisenstädter Bischof Ägidius Zsifkovics und der Salzburger Alterzbischof Alois Kothgasser den Gottesdienst auf dem Petersplatz mit.
Altbundespräsident Heinz Fischer hat das offizielle Österreich bei der Trauerfeier vertreten. Bundespräsident Alexander Van der Bellen und seine Gattin Doris Schmidauer nahmen neben zahlreichen Spitzenvertretern aus Politik, den christlichen Kirchen und den Religionsgesellschaften am Montag am Gedenkgottesdienst für den verstorbenen Papst Benedikt XVI. mit Kardinal Christoph Schönborn im Wiener Stephansdom teil.
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