Wort zum Sonntag
Die Form der Papstwahl hat sich im Lauf der Kirchengeschichte gewandelt. Wie soll sie sich weiterentwickeln, damit sie ins 21. Jahrhundert passt?
Paul M. Zulehner: Es fällt auf, dass nach der Weltsynode, an der Frauen stark beteiligt waren, keine einzige Frau den nächsten Papst mitwählt. Als Folge der Synodalisierung wird man sich künftig fragen, wie ein Pfarrer ausgewählt wird, wie ein Bischof gesucht und auch, wie ein Papst gefunden wird. Die Frage ist, ob das mittelalterliche Modell des Konklaves auch in Zukunft die Wahl des Papstes bestimmen soll – mit Männern, die aus dem Kardinalskollegium kommen, in das seit langem nur mehr geweihte und ordinierte Personen aufgenommen werden. Man könnte sich im Gegensatz dazu eine Synodalisierung der Papstwahl vorstellen: Dass die Zusammenschlüsse der kontinentalen Bischofskonferenzen (wie CCEE oder CELAM) Delegierte nach Rom schicken, die den neuen Papst wählen.
Würde sich das Ergebnis so einer Papstwahl wesentlich unterscheiden vom Ergebnis des heute gültigen Modells?
Zulehner: Die wesentlichen Fragen an den neuen Papst würden jedenfalls gleich bleiben. Es ist nicht so wichtig, aus welchem Kontinent ein Papst kommt, sondern wie er zwei große Herausforderungen meistern kann: Wie kann er sich für Gerechtigkeit, Frieden und Bewahrung der Schöpfung einsetzen? Und wie hält er die Weltkirche zusammen, die sich mit unterschiedlichen Geschwindigkeiten und inhaltlichen Schwerpunkten bewegt? Es wird ein Papstamt der innerkatholischen Ökumene brauchen. Wenn das gelingt, ist das eine gute Grundlage für die interkonfessionelle Ökumene und für den Dialog zwischen den Religionen der Welt. Religionen sind die stärksten Player für Einheit und Dialog in einer zerrissenen Welt.
Die zwei Herausforderungen sind also einerseits innerkirchlich-synodal und andererseits außerkirchlich-politisch?
Zulehner: Ja, diese zwei Fragerichtungen werden das Konklave bestimmen. Wer kann das für die nächsten zehn Jahre am besten lösen? Momentan ist die Lage eher unübersichtlich. Es wird starke Anstrengungen derer geben, die sich mit dem Kurs von Papst Franziskus nicht zufriedengaben. Da gibt es eine starke Gruppe amerikanischer, deutscher und anderer Bischöfe. Es wird sicher auch Versuche von politischen Kreisen geben, gegen den bisherigen Kurs von Papst Franziskus zu intervenieren. Die Vorgespräche werden sehr spannend sein. Ob es dort gelingt, sich auf einen Namen zu einigen, ist offen. Es könnte jemand sein, der aus einem Krisengebiet kommt, wie der Patriarch von Jerusalem.
Wie gefährlich sind politische Einflussnahmen auf die Papstwahl, etwa durch US-amerikanische evangelikale Netzwerke?
Zulehner: Ich nehme an, dass sich die Franziskus-kritischen Kreise schon längst verständigt haben. Sie haben sehr viel Geld zur Verfügung und Unterstützung von rechtspopulistischen Kreisen auf der ganzen Welt. Die amerikanischen Bischöfe sind in dem Punkt gespalten. Ich denke aber, je stärker jemand Einfluss nehmen will, umso größer wird der Widerstand dagegen sein.
Eine entscheidende Frage ist, ob jemand gewählt wird, der sich in die jüngste Weltsynode konstruktiv eingebracht hat, oder jemand, der der Weltsynode kritisch gegenüberstand ...
Zulehner: Die Frage ist, ob der Akzent auf die Präsenz in der Welt gesetzt wird oder auf das Fortschreiben des synodalen Prozesses, den Papst Franziskus angestoßen, aber nicht abgeschlossen hat. Er hat zwar für 2028 eine weitere große Versammlung dekretiert, aber das muss ein neuer Papst nicht so weitermachen. Ich hoffe, dass die Fragen der Welt im Vordergrund stehen, wie Frieden, Schöpfung, Migration, Gerechtigkeit. Und dass zugleich das Amt synodalisiert und viele Menschen daran beteiligt werden. Die Kunst wird sein, Beratung und Entscheidung kirchenrechtlich gut auszutarieren. Wichtig wird auch sein, klar festzulegen, in welchen Punkten Bischofskonferenzen kontinental entscheiden können.
Die Rituale in der und rund um die Sixtinische Kapelle faszinieren die Weltöffentlichkeit. Sollen sie beibehalten werden, wenn die Papstwahl reformiert wird?
Zulehner: Ja, es ist nicht ausgeschlossen, dass man auch mit anderer Besetzung ein farbenprächtiges Konklave machen könnte. Auch Frauen können sich sehr bunt anziehen, nicht nur Kardinäle. Es ist nichts so medien- und fernsehtauglich wie der bunte Katholizismus, und es wäre schade, würden wir von diesem Spektakel etwas verlieren.
Der Pastoraltheologe und Religionssoziologe forschte und lehrte viele Jahre an der Universität Wien. Er ist Autor zahlreicher Bücher und wirkt als Priester in Wien. „Es wird ein Papstamt der innerkatholischen Ökumene brauchen“, sagt er in Hinblick auf die Papstwahl.
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