Wort zum Sonntag
Das Nicäa-Jubiläum war Anlass für die Pro-Oriente-Sektion Linz unter Leitung von Bischof Manfred Scheuer und dem Pro-Oriente-Obmann Josef Pühringer, Istanbul und Nicäa/Iznik zu besuchen.
Viele Christ:innen werden es vermutlich nicht auswendig können: das „Große Glaubensbekenntnis“, dessen Grundstock im Jahr 325 auf dem Konzil von Nicäa formuliert wurde. Beim nachfolgenden Konzil von Konstantinopel hat man das Credo von Nicäa erweitert und es wurde zum „Nicäno-Konstantinopolitanischen Glaubenbekenntnis“. Dieses Bekenntnis verbindet so gut wie alle christlichen Kirchen und hat daher eine Bedeutung für die Ökumene, die nicht hoch genug einzuschätzen ist. Traditionellerweise wird im deutschen Sprachraum bei den Sonntagsgottesdiensten aber dem kürzeren „Apostolischen Glaubenbekenntnis“ der Vorzug gegeben.
Darstellung von Jesus Christus in der Chorakirche (Istanbul) aus dem 14. Jahrhundert.
Die Pro-Oriente-Delegation der Sektion Linz – zur Gruppe gehörten 19 Personen – hat anlässlich des 1.700-Jahr-Jubiläums am 24. April 2025 das rund drei Fahrtstunden von Istanbul entfernte Nicäa besucht. In der heutigen Kleinstadt Iznik fand in der Sommerresidenz des Kaisers Konstantin das Konzil statt. Wo sich diese befand, lässt sich heute nicht mehr lokalisieren. Man kann aber davon ausgehen, dass sie am See lag. Möglicherweise sind die Fundamente einer Basilika, die man 2014 bei Niedrigwasser in Ufernähe entdeckt hat, Teil der Kaiserresidenz. Auf jeden Fall wird dort das Gedenken an das Konzil von Nicäa lokalisiert. Die Bauarbeiten für eine Steganlage, die ein Stück in den See hinausführt und einen Blick auf die Umrisse der byzantinischen Kirche ermöglicht, sind noch in vollem Gange. Bauzäune verhindern, dass man sich der Stelle nähern kann. Man kann aus der Ferne ein paar Mauerreste fotografieren – in der Hoffnung, ein Stück der Konzilsaula auf dem Foto zu haben, wo an die 200 Bischöfe jene Beschreibung Jesu Christi verfasst und für verbindlich erklärt haben, die bis heute unverändert zum Kern des christlichen Glaubens gehört: „Und (wir glauben) an den einen Herrn Jesus Christus, Gottes eingeborenen Sohn, aus dem Vater geboren vor aller Zeit: Licht vom Licht, wahrer Gott vom wahren Gott, gezeugt, nicht geschaffen, eines Wesens mit dem Vater; durch ihn ist alles geschaffen (...).“
Ungeachtet dessen, dass man den Versammlungsort der Bischöfe nicht kennt, wird das Ufergelände von den Nicäa-Besuchern gerne als Konzil-Gedenkstätte angenommen – weil es ein einladender Platz zum Nachdenken und auch zum Beten ist.
Die Pro-Oriente-Delegation hat dort jedenfalls eine Andacht gefeiert: Das Große Glaubensbekenntnis an jenem Ort zu beten, an dem ein wichtiger Teil dieses Credos erarbeitet und erstritten wurde, war – trotz des Nieselregens – ein besonderes Ereignis. Bischof Manfred Scheuer hatte in seiner Ansprache auf die theologische Bedeutung des Konzils hingewiesen und am Tag zuvor bei einer Predigt die geistliche Dimension von Nicäa erläutert: „Nicäa klingt abstrakt und lebensfremd und ist in unser heutiges Denken nicht einfach zu integrieren. Und doch geht es in der Formulierung ‚eines Wesens mit dem Vater‘ um einen Lebensnerv.“ Der Bischof fuhr fort: „Jesus ist die Selbstmitteilung Gottes, der die Liebe ist. In Jesus ist die Liebe Gottes sichtbar und unwiderrufbar. Letztlich geht es in Nicäa um die Frage: Glauben wir, dass Gott die Liebe ist?“
Im Stadtzentrum von Iznik hat sich eine Kirche aus byzantinischer Zeit zur Gänze erhalten, in der im Jahr 787 das zweite Konzil von Nicäa abgehalten wurde. Das Gebäude bietet eine eindrückliche Vorstellung vom Raum der Bischofsversammlung. Der Raum des ersten Konzils von Nicäa wird möglicherweise ähnlich ausgeschaut haben.
Die Pro-Oriente-Delegation wurde auf ihrer Nicäa-Fahrt auch vom Ökumenischen Patriarchen Bartholomaios, dem Ehrenoberhaupt der gesamten orthodoxen Christenheit, empfangen.
Altlandeshauptmann Josef Pühringer, der als Obmann von Pro Oriente Linz die Reise angeregt hatte, sagte mit Blick auf die ökumenische Bedeutung von Nicäa: „Es ist wichtiger denn je, dass die christlichen Kirchen mit einer Stimme sprechen. Wir dürfen in der Ökumene nicht locker lassen, auch wenn wir als Sektion nur kleine Schritte machen können.“
Mehr zum Glaubensbekenntnis von Nicäa in der Serie von Univ.-Prof. Franz Gmainer-Pranzl
Der armenisch-apostolische Patriarch von Istanbul, Sahag II. Maschalian, steht der größten Kirche in der Türkei vor. Er gab der Pro-Oriente-Delegation Sektion Linz einen Einblick in die aktuelle schwierige Situation der Kirchen in der Türkei.
Der armenisch-apostolische Patriarch von istanbul Sahag II. Maschalian.
Die Zahl könnte man sich leicht merken: Die Türkei zählt 85 Millionen Einwohner, 1 Promille davon – 85.000 – sind Christen. Der Patriarch betonte aber, dass er die Anzahl inzwischen für zu hoch hält. Für seine armenisch-apostolische Kirche geht er von aktuell 40.000 Mitgliedern aus. Der griechisch-orthodoxen Kirche gehören etwa 2.000 Gläubige an, der katholischen Kirche einige tausend und der syrisch-orthodoxen Kirche an die 20.000. Wie schwierig auch immer die Zahl der Christen zu erfassen ist, eines ist für den armenischen Patriarchen klar: „Wir werden weniger. In unserer Kirche kommen auf eine Geburt drei Todesfälle.“ Dazu kommt die Auswanderung: „Die Jugend geht in den Westen, nicht nur die armenische, auch die türkische“, meinte der Patriarch: „Im Jahr 2050 werden wir hier 10.000 Christen sein.“ Die armenisch-apostolische Kirche setzt sich aber mit großem Engagement für ihre Mitglieder ein. Sie betreibt 17 armenische Schulen für rund 3.000 Kinder. Die hohe Inflation macht die Schulen zu einem finanziellen Kraftakt. „Wir kämpfen, sie alle offenhalten zu können.“ In Istanbul gibt es zwar an die 50 armenische Kirchen, das Problem ist aber, dass die Christen nicht mehr in der Nähe ihrer Gotteshäuser wohnen. Rund um das Patriarchat mit seinen drei Kirchen lebten einst 40.000 Armenier, heute nur mehr 40. Auf jeden Fall bemühe sich die armenische Kirche, die Identität der Armenier zu stärken, auch wenn nur mehr 15 Prozent der Armenier ihre Muttersprache gut beherrschen. „Schauen Sie, dass Sie in Ihrer Heimat keine Minderheit werden. Das macht alles sehr schwierig“, meinte der Patriarch schmunzelnd. Ökumene ist für ihn selbstverständlich: „Wir können uns nicht mehr den Luxus leisten, die Trennung weiterzuführen.“ Zum Abschied schenkte er jedem/jeder einen Katechismus, den alle Kirchen der Türkei miteinander verfasst haben.
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