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Kirche und Sozialdemokratie: 1934 "wirft bis heute seine Schatten"

KIRCHE_ÖSTERREICH

In der Erklärung "Zukunft braucht Erinnerung" fordert die "Katholische Arbeitnehmer:innen Bewegung Österreich" klare Positionierungen zu den Vorgängen im Februar 1934.

08.02.2024
- kathpress / ame
Erinnerung an den österreichischen Bürgerkrieg am Ausgangspunkt, dem ehemaligen Hotel Schiff an der Linzer Landstraße, heute als SPÖ-Büro genutzt
Erinnerung an den österreichischen Bürgerkrieg am Ausgangspunkt, dem ehemaligen Hotel Schiff an der Linzer Landstraße, heute als SPÖ-Büro genutzt
© Otto Normalverbraucher, Wikimedia Commons

Allen Bemühungen zur Aussöhnung zwischen Kirche und Sozialdemokratie nach dem Zweiten Weltkrieg zum Trotz "wirft 1934 bis heute seine Schatten": In einer am Donnerstag veröffentlichten Erklärung hat die "Katholische Arbeitnehmer:innen Bewegung Österreich" (KABÖ) zu den bewaffneten Kämpfen zwischen Heimwehr und Schutzbund vor 90 Jahren Stellung genommen und eine bisher weitgehend unterbliebene Aufarbeitung der Rolle der damaligen Kirchenführung dabei gefordert.

 

Die KABÖ ermutigte zugleich zum "wertschätzenden Dialog zwischen Amtskirche und Sozialdemokratie" und urgierte eine klare Stellungnahme der Österreichischen Bischofskonferenz zu den historischen Konflikten.

 

Die tragischen Entwicklungen in der Zwischenkriegszeit sind laut den katholischen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern ein "Lehrbeispiel, wie rasch partizipative und rechtsstaatliche Grundfesten unterminiert und zerstört werden können".

 

Es gelte, "heute mehr denn je wachsam zu sein" und gegen jede Form von Hetze, Polarisierung und Infragestellung von demokratischen Institutionen entschieden aufzutreten - auch von Seiten der Kirchenleitung, heißt es in der KABÖ-Erklärung mit dem Titel "Zukunft braucht Erinnerung".

 

Kirche spielte "wesentliche Rolle"

 

Im Februar 1934 kam es zu gewaltsamen Auseinandersetzungen in österreichischen Industrieorten, in denen sich die im Schutzbund organisierten Arbeiter gegen das autoritäre Regime unter Engelbert Dollfuß stellten, erinnerte die KABÖ.

 

Bei der Auflösung des Parlaments ein Jahr davor, die Ersetzung der Demokratie durch das austrofaschistische System und dem darauf folgenden Verbot aller sozialdemokratischen und gewerkschaftlichen Organisationen habe die damalige Kirchenführung eine "wesentliche Rolle" gespielt.

 

Bereits Jahre zuvor mit Prälat Ignaz Seipel als Bundeskanzler habe sich die Kirche "massiv gegen die demokratische Gestaltungsmacht der Sozialdemokratie" gestellt und nach der Machtergreifung durch das Dollfuß-Regime "volle Härte gegen den Widerstand" gefordert.

 

Die KABÖ rief weiters ins Gedächtnis, dass auch Papst Pius XI. 1931 in seiner Enzyklika "Quadragesimo anno" festhielt, es sei "unmöglich gleichzeitig guter Katholik und wirklicher Sozialist zu sein". Dies sei "ein Schlag ins Gesicht all jener" gewesen, die sich damals schon für eine Versöhnung zwischen katholischer Kirche und Sozialdemokratie einsetzten.

 

Dies alles sei seitens der Kirche kaum aufgearbeitet worden, "Misstrauen und Ablehnung sind bis heute spürbar", bedauerte die KABÖ. Als Teil der österreichischen römisch-katholischen Kirche sei sich die "Katholische Arbeitnehmer:innen Bewegung Österreich" der Verantwortung bewusst, Versäumtes nachzuholen: "Wir treten dafür ein, die Ereignisse der Zeit zwischen den Weltkriegen durch eine unabhängige Gruppe von Expert:innen aufzuarbeiten."

 

Dazu gehöre auch der unvoreingenommene Blick auf die Rolle von Persönlichkeiten wie Ignaz Seipel, Engelbert Dollfuß und Kurt Schuschnigg.

 

Bedrohungen heute widerstehen

 

Überdies stellt sich für die KABÖ die Frage, wie die katholische Kirche in Österreich emanzipatorischen und liberalen Bewegungen heute begegnet.

 

"Kann sie in kritischen, auch politisch links stehenden Initiativen wertvolle Anregungen erkennen oder vertraut sie nur bürgerlich-konservativen Zugängen zur Politik, um ihren eigenen Einfluss zu wahren? Verwehrt sie sich entschieden genug gegen die Vereinnahmungen von rechtspopulistischen Parteien und Bewegungen?"

 

Angesichts der heutigen Bedrohung der Demokratie durch solche Gruppierungen sei es wichtig, an die Geschichte zu erinnern. Die "Katholische Arbeitnehmer:innen Bewegung" in der Steiermark tue dies in einer breit gefächerten Veranstaltungsreihe, in der auch renommierte Fachleute zu Wort kommen.

 

Unter dem Titel "Österreich 1933/1934 - Die Gefährdungen der Demokratie einst und jetzt" sind eine Vielzahl von Veranstaltungen in Graz, Leoben, Bruck/Mur und St. Lorenzen geplant, weiters eine Ausstellung sowie Fortbildungsseminaren für Lehrkräfte, in denen "Geschichte in ihrer Bedeutung für die Zukunft vorgestellt und diskutiert" werde.

 

Unterzeichnet ist die Erklärung "Zukunft braucht Erinnerung" von der KABÖ-Vorsitzenden Anna Wall-Strasser, ihren Stellvertretern Reinhold Grausam und Philipp Kuhlmann, vom Bundesseelsorger Karl A. Immervoll und dem Vorsitzenden der KAB Steiermark und Mitinitiator der Veranstaltungsreihe "Österreich 1933/1934 - Die Gefährdungen der Demokratie einst und jetzt", Martin Hochegger.

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Elisabeth Wertz ist Religionslehrerin und Pastoralassistentin im Südburgenland (derzeit in Elternkarenz).

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