KOMMENTAR_
Oberärztin Dr. Manuela Baumgartner leitet am Krankenhaus der Barmherzigen Schwestern in Linz die Ambulanz für Neuropädiatrie. Sie betreut seit mehr als zwei Jahrzehnten Kinder mit Beeinträchtigungen. „Im Vergleich zu anderen europäischen Ländern sind in Österreich beeinträchtige Menschen ganz gut versorgt“, erklärt sie. Damit sich die Kinder aber positiv entwickeln können, brauchen sie die Eltern und auch die Geschwister. Für die ist jedoch im Gesundheitssystem keine Hilfe vorgesehen, denn sie sind ja nicht krank. Der Kontakt mit den Eltern hat der Oberärztin aber gezeigt, dass auch diese unbedingt Unterstützung brauchen. „Mit der Geburt eines beeinträchtigten Kindes ändert sich mit einem Schlag alles“, gibt Dr. Baumgartner zu bedenken: Die Eltern müssen Abschied vom Wunschbild nehmen, ein gesundes Kind zu haben, und sie müssen sich mit dem Gedanken abfinden, dass sie ihr ganzes Leben Verantwortung für ihr Kind haben werden. Die vielen Jahre, in denen Eltern nicht durchschlafen können, weil ihr Kind sie auch nachts braucht – all das zehrt an den Kräften, bringt Eltern an ihre Grenzen und oft darüber hinaus.
Dr. Baumgartners Antwort auf diese Not der Eltern war der Start von Intensivwochen für Familien mit beeinträchtigten Kindern. Im Jahr 1995 begann sie das Projekt gemeinsam mit ihrem Ehemann Helmut und dem Pädagogenehepaar Haslinger; seit Jahren nun gemeinsam mit ihrer Ärztekollegin Veronika Pilshofer, deren Ehemann Fritz und der Psychologin Elisabeth Kuhn. Erholungswochen für Familien gibt es häufig, doch die Intensivwochen bieten mehr: Die Eltern bekommen Zeit für Erfahrungsaustausch und Paargespräche und auch die nicht beeinträchtigten Geschwister können mit anderen Kindern ihre Situation reflektieren: „Es ist ein seelischer Aktivurlaub.“
Die Rückmeldungen zeigen, dass diese Zeiten für viele Eltern eine Kraftquelle sind. „Nach acht Jahren kann ich sagen, dass unser Kind ein Segen ist“, brachte die Mutter eines autistischen Kindes ihre Erfahrungen, die sie bei einer Intensivwoche gemacht hat, auf den Punkt: „Ich habe mir überlegt, mit wem ich tauschen wollte? – Eigentlich mit niemandem.“ Dass Eltern ihre Situation so annehmen können, lässt sich nicht erzwingen, betont Dr. Baumgartner, aber die Intensivwochen wollen einen Rahmen schaffen, dass das möglich werden kann. Das Team um Dr. Baumgartner veranstaltet die Intensivwochen ehrenamtlich, derzeit zweimal im Jahr: in Lignano und bei Münster. Die Eltern bezahlen einen Selbstkostenbeitrag, den Rest bringen die Veranstalter durch Sponsoren auf.
Die Neuropädiatrische Ambulanz am Krankenhaus der Barmherzigen Schwestern in Linz wurde mit dem Solidaritätspreis 2015 ausgezeichnet.
KOMMENTAR_
DENK_WÜRDIG
Jetzt die KIRCHENZEITUNG 4 Wochen lang kostenlos kennen lernen. Abo endet automatisch. >>
BRIEF_KASTEN