Seit Monaten ist die Situation in der Ukraine in den Schlagzeilen der Medien. Das Bild im Westen sei oft verzerrt, beklagt die Linzerin Vera Hirsch, gebürtige Russin mit ukrainischer Staatsbürgerschaft. Man sollte akzeptieren, dass die Menschen in der Ostukraine „ja“ zur Integration in die Russische Förderation gesagt haben.
Ausgabe: 2014/27, Russland, Ukraine
02.07.2014
- Ernst Gansinger
Vera Hirschs Vater war russischer Offizier mit wechselnden Einsatzorten, bis die Familie schließlich in Odessa geblieben ist. Vera, die später Zuckerbäckerin wurde, war damals 13 Jahre alt. Sie erhebt ihre Stimme, um auf die Ukraine ein anderes Licht der Wahrnehmung zu werfen.
Wahrheit und Wahrnehmung
1996 ist sie nach Österreich gekommen. Kontakt zu ihrer Mutter und Freundinnen in der Ukraine pflegt sie bis heute. „Russen bleiben immer in Kontakt“, sagt sie. Heuer im August kommt ihre Mutter auf Besuch. Dann wird Zeit für ausführliche Gesprächen sein, in denen die triste Situation in der Ukraine ein wichtiges Thema sein wird. Die Situation sei auch wegen der verzerrten Wahrnehmung in Westeuropa trist. Im Westen hört man von der Aggression durch „russische Separatisten“ und von der Skepsis gegenüber den Absichten des russischen Präsidenten Putin. Aber kaum einmal wird von den Gewalttaten des ukrainischen Militärs berichtet, von der Armut in der Bevölkerung, etwa davon, dass im letzten halben Jahr der Brotpreis um 30 Prozent gestiegen ist.
Macht, Gier und Rechtsextremismus
Die Krim, dessen Parlament sich am 11. März 2014 von der Ukraine unabhängig erklärte, sei immer mehrheitlich russisch gewesen, versteht Vera Hirsch die Reaktion des Westens auf die pro-russische Krim-Entscheidung nicht. „Die Mächtigen kennen keine Grenzen“, sieht sie in wirtschaftlichen Interessen reicher Oligarchen und mächtiger Staaten die wahren Ursachen für den Ukraine-Konflikt. Sie nennt ausdrücklich auch die USA. Alle gieren nach Bodenschätzen. Vera Hirsch weist darauf hin, dass rechtsextreme Kräfte, die ukrainische Nazi-Kollaborateure als Vorbilder verehren, am politischen Umsturz beteiligt waren. „Ich glaube nicht, dass die Menschen in Europa glücklich sind mit solchen Nazis“, sagt die Unternehmerin.
Und Russland?
Der Westen soll – so Vera Hirsch – Russland nicht dämonisieren. Gewalt-Erfolge würden weiter zu Gewalt ermuntern. Die Menschen in der Ostukraine haben „ja“ zur Integration in die Russische Förderation gesagt, das sollte man akzeptieren. Russland hat nach Ansicht Vera Hirschs viel zur Mäßigung beigetragen, auch wenn immer von den „russischen Separatisten“ die Rede ist: Russland lieferte zum Beispiel in die Ukraine sechs Monate Gas trotz ausstehender Bezahlung. Österreich sollte sich – wünscht sie – an die Rolle der Sowjetarmee zur Befreiung vom NS-Terror erinnern. Österreich hätte also Grund, Russland nicht zu fürchten.