Nach ihrer Schulzeit wollte Julia Pichler ein Jahr im Ausland verbringen. Mit dem Wiener Verein „Grenzenlos“ reiste sie im Juli 1998 nach Honduras. Doch alles kam ganz anders, als es sich die junge Linzerin vorstellte.Jene Tage Anfang November 1998 wird Julia nie mehr vergessen. Damals fegte der Wirbelsturm MITCH, begleitet von sintflutartigen Regenfällen über Mittelamerika hinweg. Tagelang saß Julia allein im Haus ihrer Gastfamilie fest. Die Hausbesitzer flohen zu Beginn der Katastrophe in den nahen Wald und ließen die Europäerin allein. Nie zuvor hatte Julia die Kraft der Natur in solchem Ausmaß kennengelernt. Erst als sich der Orkan nach Tagen legte, wurde das Ausmaß der Katastrophe sichtbar: Sonst friedliche Bäche waren zu reißenden Flüssen angeschwollen und hatten alles mit sich gerissen, was ihnen im Weg war. Der Hurrikan kam zur Haupterntezeit. Nicht nur die Ernte versank in den Fluten, sondern mit ihr auch aller Humus von den Feldern. Zurück blieben riesige Flächen voller Sand und Steine. Zurück blieben zerstörte Hütten. Zurück blieben aber vor allem tausende Menschen, die nicht wußten, wie es weitergehen sollte.Schnelle ReaktionJulia war nicht als Katastrophenhelferin nach Honduras gekommen. Vor ihrer Abreise hatte sie gerade an der Bundesbildungsanstalt für Kindergartenpädagogik (BAKIP) in Linz die Matura abgelegt. Weil sie nach den Jahren in der Schule einmal zupacken wollte, hatte sie sich für die Mitarbeit in einem Projekt für AIDS-Waisenkinder in der Stadt Flores gemeldet. Gemeinsam mit elf anderen jungen Erwachsenen aus Europa reiste sie mit der Organisation ICYE (Internationaler Christlicher Jugendaustausch) nach Honduras. Bald nach dem Spanischkurs am Beginn des Einsatzes war Julia klar, daß ihre engagierte Arbeit im AIDS-Projekt nicht sehr erwünscht war. Die einheimischen Kollegen sahen nicht gerne, wie sie sich hineinkniete. Ihr schien, als hieße die Devise: „Immer mit der Ruhe.“Nach dem Wirbelsturm war das AIDS-Projekt in Flores mit einem Schlag zu Ende. Julia reagierte schnell. Wie andere Kollegen entschloß sie sich zum Ausstieg aus dem Vertrag mit ICYE, um ohne bürokratische Umwege direkt Hilfe aus dem Ausland zu organisieren. Ihrer Freundin Astrid aus Hartberg in der Steiermark gelang es, schnell Hilfslieferungen zu erhalten. Julia erinnerte sich an ihre Schule in Linz. Spontane Hilfe von vielen SeitenE-mails, also elektronische Briefe via Internet, gingen um die Welt. Frühere Lehrerinnen an der BAKIP waren sofort bereit, mit ihren Schülerinnen Hilfe zu organisieren. Das Gymnasium Khevenhüllerstraße und die Hauptschule Gramastetten schlossen sich an. Freunde von Julias Familie sammelten an ihren Arbeitsplätzen. Von den mehr als 100.000,– Schilling, die zusammenkamen, wurden Lebensmittel und Saatgut gekauft. Bauernfamilien im Trapichito-Tal, Nachfahren vom Stamm der Lenka, erhielten Soja, Mais und Bohnen, sowie Bargeld zur Pacht von Gründen. Die Lenka-Bauern hatten zuvor eine Genossenschaft gegründet und werden nach der Ernte das Geld zurückzahlen. So sind langfristig Wiederaufbau, Wiederaufforstung und Entwicklung gesichert.Julia Pichler hat allen ihren Freunde in Österreich mittlerweile gedankt. Zurückgelehnt hat sie sich nach der Hilfe für die Lenkas nicht. Sie fragt weiter, wo sie gebraucht wird. Und dort packt sie zu.