Kommentar von Hans Baumgartner und Walter Achleitner
Ausgabe: 2000/25, Nicht zu zähmen, In das Gegenteil
20.06.2000
Nicht zu zähmen
Die Kirche hat schon andere Stürme überstanden als dieses Lüfterl aus Österreich, soll ein römischer Prälat das Kirchenvolks-Begehren vor fünf Jahren kommentiert haben. Und schaut man die harten Fakten an, so hat sich Rom weder in der Frage der Bischofsernennungen noch beim Frauendiakonat, den wiederverheirateten Geschiedenen oder beim Priester-Zölibat bewegt. Im Gegenteil, es gibt massive Interventionen aus höchsten Kreisen gegen die von breiter Mehrheit getrage-nen Reformwünsche der Salzburger Dialogversammlung und gegen vorsichtige Schritte der Umsetzung. Viele sind enttäuscht und quittieren das mit Vertrauensentzug. Andere setzen darauf, dass die in allen Kontinenten wachsenden Reformwünsche Ausdruck des Gottesgeistes sind. Und der lässt sich bekanntlich nicht so leicht „zähmen“.
In das Gegenteil
Worum es im Heiligen Jahr geht, führt kaum deutlicher vor Augen, als die Begnadigung des Papstattentäters Ali Agca: den Neuanfang ermöglichen. Weil es dem Papst ein Anliegen war, hat er sich seit Jahren dafür eingesetzt. Und damit wurde eine der Visionen des Jubeljahres wenigstens im Ansatz verwirklicht: Freiheit für Gefangene. In Österreich ist mit derartigen Versöhnungsgesten nicht zu rechnen. Ja, den Häftlingen droht im Jahr 2000 sogar eine Verschlechterung. Budgetkürzungen zwingen die Justiz zum Sparen, und die ortet das Potenzial im Bereich der Resozialisierung: Arbeitstage drohen beispielsweise gestrichen zu werden, weil wegsperren billiger ist. Das Heilige Jahr scheint also hierzulande für Gefangene in das Gegenteil dessen zu werden, was es sein möchte.