Anna und René sind beide hochgradig schwerhörig. Sie erzählen, was sie in ihrem Alltag so erleben.
Anna aus Gallneukirchen steckt gerade mitten in den Vorbereitungen zu ihrem Geburtstagsfest. Sie wird 17. Sie wird ihre besten Freundinnen und Freunde einladen. „Drei davon hören auch schlecht, zwei hören gut“, erzählt sie. Dieses „schlecht Hören“ ist für Menschen mit gesunden Ohren kaum vorstellbar. René wohnt in Desselbrunn. Er hat eine gute Erklärung für das, was er erlebt, seit er denken kann: „,Hören’ ist anders als ,verstehen’. Du hörst dein Auto, aber verstehst du, was es sagt?“ Er ist manchmal enttäuscht, weil Hörenden dieser Unterschied nicht bewusst ist.
Wer sich mit Anna oder René unterhält, kann kaum glauben, dass sie ihre Umwelt anders wahrnehmen. Beide erzählen, dass sie oft angesprochen werden. Besonders Kinder fragen, was der bunte Knopf im Ohr ist oder warum sie komisch sprechen. Hören ist wichtig, um Sprechen zu lernen. Die Hörschädigung wurde bei Anna mit viereinhalb Jahren medizinisch festgestellt, bei René mit dreieinhalb. Viele sagen, in diesem Alter sollte die Sprachentwicklung schon abgeschlossen sein. Kleine Sprachfehler sind bei Anna und René also leicht zu erklären.
Anna besucht eine berufsbildende höhere Schule für Mode. Sie kann sich furchtbar darüber aufregen, wenn jemand sagt, Schwerhörige sollten in eine Sonderschule gehen. Sie hat eine „normale“ Volks- und Hauptschule besucht, auch wenn es nicht immer leicht war. Sie kann sich an Zeiten erinnern, in denen ihr Mitschüler/innen das Leben ziemlich schwer gemacht haben. René denkt bei seiner Schulzeit vor allem daran, dass ihn immer wieder Kinder „getestet“ haben, ob er wirklich von den Lippen abliest, was sie sagen. Auch er musste erst lernen, selbstbewusster zu sein.
Fernsehen in Bruchstücken
Für Hörgeschädigte ist es sehr wichtig, dass sich Gesprächspartner/innen ihnen zuwenden und langsam reden. Schwierig ist das etwa beim Fernsehen. „Ich versteh einen Teil, den Rest denke ich mir dazu“, sagt Anna. Leider gibt es nicht viele Filme mit Untertitel. Das Gleiche gilt für das Kino. Hollywood-Filme werden nicht mit Untertiteln gespielt. Anna mag Musik und Tanzen. Der Text der Lieder ist nicht wichtig. Rhythmen kann sie auch spüren.
René und Anna kennen einander schon lange. Ihre Eltern haben sich bei einem Verein für Angehörige von Hörgeschädigten getroffen. Beide haben aber auch einen Freundeskreis von Hörenden, weil sie in einer hörenden Umgebung leben. René hat ist seit kurzem 17. Er ist EDV-Techniker im zweiten Lehrjahr. Bei der Suche nach einer Lehrstelle hatte er nach eigener Einschätzung „recht viel Glück“. René kann erst seit kurzem telefonieren, worüber sich auch seine Mutter sehr freut. „Vorher hab immer ich alles für ihn ausmachen müssen!“, erzählt sie. Damit er versteht, was jemand am anderen Ende der Leitung sagt, braucht er ein spezielles Gerät. Auch in der Schule haben beide Jugendliche ein eigenes Gerät benutzt. Was die Lehrkräfte sprechen, muss direkt zu den Hörgeräten der Kinder und Jugendlichen übertragen werden. Anna ist stolz darauf, dass sie dem Unterricht jetzt auch ohne diese FM-Anlage folgen kann.
Hören mit Hörgerät ist anders
Mit Hörgeräten in einem großen Raum mit vielen Menschen einen herauszuhören ist kaum möglich. Das Ohr kann verschiedene Geräusche filtern, mit dem Hörgerät wird alles gleich verstärkt. Das bloße Hinlegen eines Kaffeelöffels auf eine Untertasse hört sich dabei für „normal Hörende“ irrsinnig laut an und es ist kaum etwas daneben zu verstehen. Ein Vergleich könnte sein, ein Aufnahmegerät in einem Raum einzuschalten. Beim Abhören hört man plötzlich Nebengeräusche störend laut.
Jeden ersten Dienstag im Monat treffen sich Jugendliche im „Teens-Treff“ in der Gehörlosenambulanz im Krankenhaus der Barmh. Brüder in Linz. Sie würden sich sehr über weitere betroffene Teenies freuen.