Ausgabe: 2002/05, Fellinger, Streit, streiten, Streitkultur, Konflikt
29.01.2002
Streiten braucht eine Streitkultur. Noch jeder Konflikt hat klein angefangen.
Fast kein Tag ohne Tote im israelisch-palästinensischen Konflikt. Warum können sie im Nahen Osten nicht endlich mit der Gewalt aufhören, fragt man sich. Es ist zwar stiller geworden um den Streit zwischen Indien und Pakistan – aber warum müssen die beiden Atommächte diesen Konflikt anzetteln? Dann die gegenwärtige Situation in Österreich: nach dem Volksbegehren jetzt die neue Diskussion um die Benes-Dekrete. Muss diese Konfrontation denn wirklich sein?
Streiten braucht Streitkultur. Wer bloß über andere herfällt, streitet nicht; er will die andere Seite niederringen oder für eigene Zwecke benutzen. Doch man sollte sich der Gefahr bewusst sein. Das geht nicht immer gut. Noch jeder Konflikt hat klein angefangen. Mit der Zeit vergiften sie das Klima, das vernünftige Gespräch wird immer unmöglicher.
Man erinnere sich an das Österreich der Zwischenkriegszeit. Die verschiedenen Lager konnten einander nicht mehr riechen. Man konnte nicht miteinander, man hasste sich – zuletzt bis aufs Blut. Erst die nachfolgenden bitteren Erfahrungen der Nazi-Diktatur des Krieges haben ein Umdenken bewirkt. Diese Erfahrung sollte für lange Zeit reichen. Das war die Stärke Österreichs nach dem Krieg: Dass man die gemeinsamen Ziele höher geschätzt hat als die je eigene Ideologie.
Statt im alten Stil ständig Konflikte heraufzubeschwören, ja, den Konflikt als politisches Mittel bewusst einzusetzen, gilt es den Weg der Verständigung einzuschlagen. Wenigstens die Höflichkeit sollte man erwarten dürfen.