Beim „Aufarbeiten“ der Ära des Nationalsozialismus sind noch immer einige „Sollbeträge“ offen. Bei der Entschädigung von Zwangsarbeitern und enteigneten jüdischen Bürgern ist in den letzten zwei Jahren viel geschehen. Dort, wo die Regierung weniger in der öffentlichen Auslage steht, gehen freilich die alten Denkmuster weiter. So etwa bekommen österreichische Deserteure aus der deutschen Wehrmacht ihre Gefängnis- und KZ-Zeiten nicht als Ersatzzeiten für die Pension angerechnet. Einen Vorstoß der Grünen hat der Sozialminister erst vor kurzem abgeblockt, weil es sich bei Desertion um eine Tat handelt, die auch nach österreichischen Gesetzen strafbar gewesen wäre. Der riesige Unterschied zwischen dem Bundesheer eines Kleinstaates und Hitlers Angriffsheer scheint unerheblich zu sein. Das ist übrigens dieselbe „Haltung“, die Franz Jägerstätter die längste Zeit nicht als politisches Opfer anerkannt hat – und seinen Hinterbliebenen jede Hilfe vorenthielt. Hoffentlich setzt das angekündigte Umdenken rasch ein.
Hans Baumgartner
Ein mutiger Schritt
In Österreich haben der Präsident der islamischen Glaubensgemeinschaft, Anas Schakfeh, und der Präsident der Israelitischen Kultusgemeinde, Ariel Muzicant, in einer gemeinsamen Erklärung an die Konfliktparteien in Israel und Palästina appelliert, das sinnlose Töten einzustellen und zu Verhandlungen zurückzukehren. Beide haben sich mit diesem Schritt wohl nicht nur Freunde unter ihrer Klientel gemacht, denn auch in Europa hat dieser Krieg zu verhärteten Fronten geführt. Weil sie diese Gefahr ernst nehmen und dagegen gemeinsam auftreten, gebührt ihnen Respekt.