Mit 717.314 Stimmen wurde das Sozialstaat-Volksbegehren nicht der „Triumph“, den sich manche, erträumt haben, die das Votum zu einem „Zwischenwahlkampf“ umfunktionieren wollten. Man kann aber auch nicht von einem „enttäuschenden“ Ergebnis reden, wie das Vertreter der Regierungsparteien getan haben. Denn immerhin ist es einem nicht aus der professionellen Politik kommenden Personenkomitee gelungen, mit mäßiger medialer Unterstützung ein sperriges Thema zum Gesprächstoff vieler Zusammenkünfte zu machen.
Wie aktuell das Anliegen des Volksbegehrens ist, darauf wies der Finanzminister kürzlich unfreiwillig hin. Er will die Abgabenquote, und damit auch die Beiträge für die Sozialtöpfe, in den nächsten Jahren deutlich senken (von 46 auf unter 40 Prozent). Im Klar- text heißt das, mehr Eigenvorsorge und Selbstbehalte. Die im derzeitigen Sozialsystem vorgesehene mäßige Umverteilung von den Einkommensstärkeren zu den Schwächeren wird dadurch in Frage gestellt. Das kann auf zweierlei Weise geschehen: Entweder man macht die Inanspruchnahme sozialer Leistungen vom Einkommen abhängig, wie das etwa im Bereich der Sozialhilfe oder der Notstandshilfe schon geschieht. Das mit dem Schlagwort „Treffsicherheit“ verkaufte Prinzip einer sozialen Mindestversorgung (Fürsorge- statt Wohlfahrtsstaat)) trägt die enorme Gefahr in sich, dass die jetzt noch vorhandene Solidarität der einkommensstärkeren Schichten immer mehr schwindet. Daraus kann enormer politischer Druck zu weiteren Einschränkungen kommen. Variante zwei hieße, man lässt die zahlen, die es trifft, also die Kranken, die Arbeitslosen etc. Auch das untergräbt den solidarischen Zusammenhalt einer Gesellschaft.