Mit seiner Ernennung zum Erzbischof von Mailand heißt es, sei Dionigi Tettamanzi in die „Pole-Position“ für das Papstamt vorgerückt.
Dass Dionigi Tettamanzi, der populäre Kardinal von Genua, die Nachfolge von Carlo Maria Martini antritt, war für „Vaticanisti“ schon vor dem 11. Juli fix. Nur um zwei Tage hatten sich die Vatikan-Spezialisten römischer Tageszeitungen verspekuliert. In Mailand ist die Gerüchtebörse geschlossen, wer dem 75-jährigen Jesuiten nachfolgen wird. Nach 22 Jahren in Händen eines Turiners, obliegt die Leitung wieder einem Lombarden. Tettamanzi ist vor 68 Jahren hier geboren, in Renate, wo er liebevoll „Don Dionigi“ genannt wird. Doch vielleicht ist es nicht nur die Herkunft, warum gerade Roberto Formigoni, der Präsident der Region Lombardei, die Entscheidung für den Moraltheologen (Spezialgebiet Ehe und Familie) so begeistert. Formigoni gilt als prominentes Mitglied von „Comunione e Liberazione“. Die Erneuerungsbewegung, oft mit „Opus-Dei“ in einem Atemzug genannt, hat ihr Zentrum in Mailand. Und nicht ungetrübt war ihr Verhältnis zu Martini.
Gemeinsam mit Ambrosius, dem Patron von Mailand, hat Tettamanzi die Sorge für die Armen. Nach dem G-8-Gipfel in Genua vor einem Jahr, bei dem sich der Erzbischof als Globalisierungskritiker zeigte, sagte ein Polizeisprecher: „Der Kardinal hätte besser bei einigen Gelegenheiten seine Zunge im Zaum gehalten.“ Für den Mann, dessen steiler Aufstieg vom konservativen Kardinal Ruini protegiert wurde, dürfte im Leben des Heiligen etwas anderes schwerer zu verstehen sein: Dass Ambrosius durch Applaus vom Volk zum Bischof gewählt wurde.Walter Achleitner