Gemeinschafts- und Familienspiele für den Sommer – Folge 3
Ausgabe: 2002/24, Spielen
20.08.2002
Aufbruchstimmung bei Familie Mair in Hall i. T. Wie jedes Jahr verbringt sie auch in diesem Sommer ein Wochenende bei den Großeltern in Niederösterreich. Alle freuen sich darauf. „Leider ist die lange Autofahrt immer so fad“, stöhnt Veronika, ehe sie ins Auto steigt. – Nach knapp zwei Stunden sitzen alle auf einer Parkbank bei der Autobahnraststätte Mondsee mit Blick auf dem See.
Zuschnapp-Spiel
„Ich kenne ein lustiges Spiel von unserer Englandwoche im Mai,“ sprudelt Franziska heraus. Für Zuschnappen braucht es zwei Hände, eine gute Reaktion und – wie bei fast allen Spielen – eine lockere Einstellung. Die sechs Personen bilden einen Kreis. Alle halten die rechte Handfläche nach oben hin offen vor den Oberkörper des rechten Nachbarn. Der gestreckte Zeigefinger der linken Hand berührt vorsichtig die Innenseite der rechten Handfläche vom jeweils linken Nachbarn.
Franziska übernimmt das Kommando: „Auf drei muss jeder von euch mit der rechten Handfläche zuschnappen und gleichzeitig versuchen, mit dem linken Zeigefinger dem Zuschnappen zu entkommen. Eins, zwei, drei!“Der Überraschungseffekt hat’s in sich. Das laute Gelächter weckt die Aufmerksamkeit der vorbeigehenden japanischen Touristen.
Tai Chi Stretching
Bevor die Familie weiter fährt, hat Mama noch einen Vorschlag. Papas Rücken schmerzt, er ist total verspannt. Die kleine Grünfläche neben dem Parkplatz eignet sich ideal für Tai Chi Stretching. „Das kenn ich von unserer Gymnastikrunde im Pfarrzentrum,“ sagt Mama. Für Tai Chi Stretching braucht es zwei ungefähr gleich große Personen. Sie stehen in Grätschstellung Rücken an Rücken und halten einander an den Armen fest. „Da geht‘s jetzt nicht um Leistung oder Action“ korrigiert sie den Vater, „sondern um Gleichgewicht, Körpergefühl und die Feinabstimmung zu zweit. Langsam mit dem Oberkörper von rechts nach links und umgekehrt bewegen. Die Beine fest am Boden.“
Auf den ersten Blick verspricht das wenig Gaudi. Dennoch machen alle mit. Nach zwei Minuten Tai Chi Stretching sind Mairs positiv überrascht.„Nicht schlecht“, brummt der Vater zufrieden. Und die Mutter: „Danke. Das hilft auch für den Kreislauf. Und es muss ja nicht immer zum Lachen sein. Oder?“
Hinweise
Zuschnappen
Alter: ab 6 Jahre. Anzahl: zwei bis beliebig viele SpielerInnen. Ort: im Raum und im Freien. Material: Keines. Spielart: Reaktion, Überraschungseffekt, Spaß.
Tai Chi Stretching
Alter: ab 6 Jahre. Anzahl: zwei bis beliebig Personen. Ort: ebene Fläche im Freien oder im Raum. Material: Keines. Spielart: Gleichgewicht, Entspannung, Zusammenhalt.
Andere Spiele für die Autopause: Karussellfangen, Mikro-Makro Stretching, Piratenfangen (beschrieben in Hechenbergers Buch „Bewegte Spiele“, erschienen im Verlag Ökotopia, Münster, 2001).
Zur Serie
Freiwillig spielen
„Komm und spiel mit mir“, sagte der kleine Prinz. „Ich kann nicht mit dir spielen“, sagte der Fuchs. „Ich bin noch nicht gezähmt!“ „Ah, Verzeihung!“, sagte der kleine Prinz. (St. Exupéry)
Miteinander Spielen setzt Freiwilligkeit voraus. Niemand darf zum Spielen gezwungen werden. Das Erleben echter Freiheit ist für seine gesunde Entwicklung wesentlich. Nur wenn der Mensch im Mittelpunkt steht, können die Beteiligten ein Spiel als bereichernde, aufbauende Erfahrung erleben.Das schließt aber nicht aus, die Spielbereitschaft und Motivation von Kindern und Erwachsenen durch entsprechende Hilfen zu fördern. Dies umso mehr, als sich Kinder heute um die Hälfte(!) weniger bewegen als vor 20 Jahren. Die Folge: Schon im Kindergarten sind Haltungsschäden, Übergewicht und Aggressivität festzustellen.
Spielen passiert im Hier und Jetzt. Der Einzelne muss sich spontan auf die Situation des Spieles mit seinen Regeln, den Mitspielern und Rahmenbedingungen einlassen. Das erfordert oft Mut, Initiative und Risikobereitschaft. Besonders Jugendliche und Erwachsene brauchen dazu oft einen Anstoß.Klare Spielregeln sind notwendig und zeigen, dass es für eine positive Interaktion Ordnungen und Grenzen braucht. Im Spiel wie imLeben geht es darum, die Fülle des Augenblicks zu entdecken und zu erfahren. a.hechenberger@teamtime.net