Im Jahr der drei Päpste war auf dem Petersplatz am 26. August zum ersten Mal der Ruf „Habemus Papam“ zu hören. Und erstmals wählte ein Papst einen Doppelnamen.
So kurz dauerte in der Kirchengeschichte selten ein Konklave. Nach nur vier Wahlgängen wurde Albino Luciani am 26. August 1978 zum Papst gewählt. Eine überwältigende Mehrheit der 111 Kardinäle stimmte für den bescheidenen Kardinal aus Venedig. „Möge Gott euch diese Tat verzeihen“, sagte der 65-jährige nach der Wahl. Seine dünne Stimme verriet, dass das schwerste Amt der Kirche – er selbst bezeichnete es später als „ungeheure Last“ und als „bedrückend“ – auf schwache Schultern gelegt worden war. Die meisten Kardinäle ahnten nur, wie schlecht es um die Gesundheit des Mannes bestellt war, den sie vor allem wegen seiner gewinnenden pastoralen Art und demütigen Ausstrahlung gewählt hatten.
Den Italienern zu riskant
Der mächtigste Mann an der Seite des Vorgängers Paul VI., Kardinal Giovanni Bennelli, hatte die Zeit zwischen Papsttod und Konklave genutzt, um eine breite Unterstützung für Luciani zu mobilisieren. Nach den teils heftigen Auseinandersetzungen um den Kurs nach dem II. Vatikanischen Konzil erhofften sich viele von einem weder als fortschrittlich noch als konservativ geltenden Papst eine Stabilisierung. Nur wenige waren bereit, der Idee von Kardinal Franz König zu folgen, der einen relativ unbekannten Kandidaten aus Polen befürwortete: Karol Wojtyla. Zu groß schien der mächtigen Gruppe italienischer Kardinäle das Risiko eines „Papstes aus einem fernen Land“. Turins Kardinal Michele Pellegrino brachte es in einem Gespräch mit seinem Sekretär Gianni Gennari auf den Punkt: „Wenn wir uns nicht auf Luciani einigen, wird Wojtyla Papst!“ Gennari selbst hat dieses Gespräch unlängst in einem Zeitungsartikel publik gemacht.In den ersten Tagen nach seiner Wahl erfüllte Luciani die auf ihn gesetzten Hoffnungen. Die Menschenmassen elektrisierte er – durch seine menschliche Art. Nach dem steifen, distanziert wirkenden Paul VI. war die Welt von seinem Lächeln begeistert. Er sorgte aber auch für Unruhe, weil er eine Reihe unerwarteter Neuerungen einführte. Als erster Papst gab er sich einen Doppelnamen um zu signalisieren, dass er sowohl an die Herzlichkeit Johannes XXIII. als auch an die Bildung Paul VI. anknüpfen wollte. Und Johannes Paul I. brach mit einer jahrhundertealten Tradition und verzichtete bei seiner Amtseinführung am 3. September auf eine Krönungszeremonie. Bald schaffte er in seinen Reden das majestätische „Wir“ ab und durchbrach manche Tabus. So sprach er in seiner zweiten Generalaudienz unverblümt über seine Gesundheit. „Meine Mutter sagte zu mir: Als Kind warst du oft krank. Ich musste dich von einem Arzt zum anderen tragen, ganze Nächte habe ich an deinem Bett gewacht.“33 Tage nach seiner Wahl, in der Nacht zum 29. September, starb Johannes Paul I. Der überraschende Tod und die zunächst widersprüchlichen Angaben ließen sofort Gerüchte entstehen: Jemand im vatikanischen Apparat habe ihn vergiftet, weil der Papst radikale Reformen durchführen wollte. Auch die von Finanzskandalen geplagte Vatikanbank gab den Gerüchten neue Nahrung. Daraus strickte David Yallop den Verschwörungs-Bestseller „Im Namen Gottes“. Erst später konnten durch Aussagen des Leibarztes sowie das öffentliche Eingeständnis des Papstsekretärs, dass entgegen der offiziellen Version nicht er, sondern eine Ordensfrau den Leichnam gefunden hatte, den Spekulationen der Boden entzogen werden.
Wie ein Todesurteil
Die Tragik des „lächelnden“ Papstes ist, dass er trotz seiner körperlichen Schwäche in einer schwierigen Zeit des Übergangs als Stabilisator und vielleicht auch als Platzhalter gewählt wurde. Die Wahl eines Herzkranken zum Kirchenoberhaupt kam, wie der Papstbiograph George Weigl schrieb, einem Todesurteil gleich. Für das zweite Konklave des Jahres 1978 waren diese 33 Tage von entscheidender Bedeutung: Als die Kardinäle erneut nach Rom kamen, standen sie unter dem Eindruck dieses Todes. Die Chancen für Karol Wojtyla waren gestiegen, auch wenn er zunächst noch immer nicht als mehrheitsfähig galt.
Der lächelnde Papst
Lexikon
Albino Luciani wurde am 17. Oktober 1912 in Forno di Canale am Fuße der südlichen Dolomiten in armen Verhältnissen geboren. Zunächst Bischof von Vittorino Veneto, erfolgte 1969 seine Ernennung zum Erzbischof und Patriarchen von Venedig. 1973 wurde Luciani in das Kardinalskollegium berufen. 1978 wird er zum Nachfolger von Papst Paul VI. gewählt. Nur 33 Tage später stirbt Johannes Paul I. in der Nacht zum 29. September.