„Ohne gefestigtes Weltbild, ohne funktionierendes Gewissen, ohne Beachtung des Dekalogs geht gar nichts.“ – Diese grundsätzliche Anmerkung von Raiffeisen-Generalanwalt Christian Konrad vor Monaten zum Thema „Wirtschaft und Ethik“ erfährt durch die Spekulations-Turbulenzen der BAWAG einen aktuellen Nachdenkanstoß.
ERNST GANSINGER
Kann man Finanzgeschäfte überhaupt nach ethischen Gesichtspunkten bewerten? – Eindeutig: Ja! Egal, wen man fragt, die Antwort ist: Ja. Der Wirtschafts- und Sozialethiker und Leiter der Katholischen Sozialakademie Österreich, Dr. Markus Schlagnitweit, sieht aber für die gesamte Finanzbranche Regelungsbedarf durch die Politik. Ethik und Prinzipien sind möglich, sagt der Theologe und Wirtschaftsmann Dr. Douglas Fernando. Er hat auch die Karmeliten in Linz beraten und leitet das Petruswerk im Bistum Berlin. Aber, so Douglas: „Ethik und Prinzipien brauchen sich dafür begeisternde Führungskräfte.“ Der Spartenobmann Banken und Versicherung der Wirtschaftskammer OÖ, Raiffeisen-Generaldirektor Dr. Ludwig Scharinger, betont: „Ein Bankmann darf nicht gierig sein. Ein Bankmann muss nachhaltig denken.“ Das Bankengesetz halte auch fest, dass eine Bank nicht spekulieren dürfe.
Realistisch oder spekulativ
Douglas Fernando und Ludwig Scharinger sprechen einiges sehr ähnlich an. Auch Douglas rügt die Gier, die bei Spekulanten größer als die Vernunft ist. Auf die Frage, wo Spekulation beginnt, stellt er eine Gegenfrage: „Wo beginnt die Gier?“ Das schnelle Geld verlockt. „Aber wir können nicht Las Vegas aufbauen gehen!“ Wer Renditen von 20, 30 Prozent begehrt, weiß, dass das hoch spekulativ ist. Da sind Kunden und Banken in gleicher Weise in der Pflicht. Aktivitäten außerhalb Europas sind riskant, brauchen besondere Vorsicht.
Vertrauen schafft Sicherheit
Scharinger setzt auf die Nachvollziehbarkeit von Unternehmensentscheidungen. Douglas nennt es „Karten offen legen“. „Was nachvollziehbar ist, schafft Vertrauen. Wo Vertrauen ist, entsteht Sicherheit. Aus der Sicherheit wachsen Motivation und klarer Blick“, sieht Scharinger wichtige Zusammenhänge. Bei Douglas spielt ebenfalls das Vertrauen eine große Rolle. Er nennt drei biblische „V“ – Vernunft, Vertrauen und Verantwortung, Grundmauern ethischen Handelns.
Kontrolle verbessern
Wenn nicht nur das ethische Fundament, sondern auch die Kontrolle Schwachstellen hat, sind Turbulenzen eine zu erwartende Konsequenz: „Es ist nicht einzusehen, weshalb gewisse Praktiken des Bankgeschäftes – insbesondere Hedge-Fonds – von der Finanzmarktaufsicht ausgenommen sind“, kritisiert etwa Dr. Markus Schlagnitweit. „Welche Rolle spielen die Unternehmensorgane, wozu gibt es Richtlinien?“, weist Dr. Scharinger darauf hin, dass es nicht nur Aufgabe der Finanzmarktaufsicht ist, Kontrolle auszuüben. „Ein vernünftiger Aufsichtsrat kontrolliert die Führungskräfte“, sagt Fernando Douglas. Er rät zu normalen Kerngeschäften. Eines davon wäre, der mittelständischen Wirtschaft Geld zu geben. Mehr Arbeitsplätze zu schaffen und die Wirtschaft zu stützen, seien die wichtigeren Renditen des Bankgeschäftes.
Spreu vom Weizen trennen
Derivativ-Geschäfte sind für Dr. Markus Schlagnitweit „Ausdruck eines hoch spekulativen Casino-Kapitalismus“. Mit dieser Aussage konfrontiert, differenziert der Spartenleiter Banken und Versicherungen der Wirtschaftskammer OÖ, Dr. Ludwig Scharinger:„So wie immer im Leben muss man die Spreu vom Weizen trennen. Wenn heute eine Firma wie FACC mit 1000 Mitarbeitern 95 Prozent ihres Umsatzes in den Dollar-Raum exportiert und man nicht genau weiß, wie sich der Dollar in nächster Zeit entwickelt, die Löhne aber in Euro zahlen muss, braucht es so genannte derivative Elemente. Diese halten das Dollar-Risiko in Grenzen. – Eine andere Firma kauft Rohstoffe im Dollarraum ein, braucht also Dollar. FACC hat Dollar. Aufgabe der Bank ist es, diese beiden Geschäfte zu koppeln, um das Dollar-Risiko wegzubringen. Dieses Koppeln ist ein derivatives Geschäft. Das ist in Ordnung. Die Instrumente sind dazu da, das Risiko zu minimieren, nicht aber, um zu spekulieren. Man muss immer unterscheiden zwischen der Spekulation der Spekulanten, der überhaupt kein Warengeschäft zu Grunde liegt, und dem Geschäft des Kaufmanns.“ Eine wichtige Aufgabe in seiner Wirtschaftskammer-Funktion sieht Dr. Scharinger darin, darauf zu achten, dass nicht verallgemeinert wird, wenn eine Bank etwas schlecht gemacht hat.