Papst Benedikt XVI. hat das Jahr 2008/2009 zum Paulusjahr erklärt. Das Echo auf seine Initiative war überwältigend. Franz Kogler vom Linzer Bibelwerk erklärt, was die Menschen am Apostel Paulus und seinen Briefen fasziniert.
Warum hat das Paulusjahr im Bibelwerk eine so große Nachfrage nach Literatur und nach Vorträgen ausgelöst? Franz Kogler: Weil die Leute mit dem Thema Paulus die Möglichkeit der Glaubensvertiefung verbunden haben – und die ist zurzeit sehr nachgefragt. Für mich heißt das: Wenn von Rom geistliche Impulse kommen, greift man gerne zu. Es wird also bei Weitem nicht alles abgelehnt, was von oben kommt. Zudem hat die katholische Kirche beim Thema „Paulus“ einen gewissen Aufholbedarf. Seit Martin Luther hat es bei den Katholiken wohl kaum mehr einen Paulus-Schwerpunkt gegeben.
Was wissen Teilnehmer/innen an Gesprächsabenden so durchschnittlich über Paulus? Man kennt den Paulus der Apostelgeschichte. Vor allem steht das Damaskuserlebnis im Mittelpunkt, das fälschlicherweise „Bekehrung“ genannt wird. Denn Paulus wendet sich zwar Christus zu, er ist und bleibt aber Jude. Die Apostelgeschichte beschreibt Paulus als Helden und verstellt damit vielen den Zugang zu Paulus und seinen zentralen Themen.
Eines dieser Themen ist das Verhältnis von Paulus zu den Frauen. Das kommt in jeder Runde zur Sprache und man ist der festen Überzeugung, dass Paulus ein Frauenfeind wäre. Die Überraschung ist dann groß, wenn wir im Römerbrief das Kapitel 16 aufschlagen. Dort ist von einer Reihe von Mitarbeiterinnen des Paulus die Rede, sogar von einer Diakonin und einer Apostelin. Den Schlüssel zum Verständnis „Paulus und die Frauen“ bietet der Galaterbrief, in dem es heißt: Es gibt nicht mehr Juden und Griechen, nicht Sklaven und Freie, nicht Mann und Frau; denn ihr alle seid „einer“ in Christus. Das ist keine theologische Floskel, sondern diese Gleichheit muss sich konkret im Leben der Gemeinde zeigen.
Auch in der Frage der Weihe von Frauen zu Diakoninnen? Bei der Übertragung von Ämtern der Bibel ins Heute muss man vorsichtig sein. Paulus würde die Gemeinden vermutlich fragen: Was ist eure Not und was braucht ihr? Ich bin überzeugt: Paulus würde die Lösungen der Gemeinden aufgreifen und weiterführen. Doch grundsätzlich muss sich im Blick auf den Galaterbrief die Gleichstellung zeigen.
Was ruft noch ein Aha-Erlebnis bei Ihren Vorträgen hervor? Wenn die Leute merken, mit welcher Absicht Paulus seine Briefe schreibt. Es geht ihm um Auferbauung und Ermutigung. Wir sind gewohnt, das entsprechende griechische Wort mit Ermahnung zu übersetzen. Aber das stimmt nicht. Paulus ist kein Ermahner, sondern ein Ermutiger. Nicht der erhobene Zeigefinger ist sein Markenzeichen, sondern die aufrichtende Hand. Das sollte auch für unseren Umgang in der Kirche gelten. Vom Pfarrblattartikel über den Hirtenbrief des Bischofs bis zur Papst-Enzyklika: Wir müssen den Menschen Mut zusprechen und dürfen sie nicht kleinmachen.
Paulus war kein einfacher Mensch, mit vielen lag er im Clinch, auch mit Petrus ... Zentrum ist und bleibt für Paulus der auferstandene Christus, nicht die Tradition: die Argumente des Petrus allein sind ihm zuwenig.
- Informationen zu Paulus: www.dioezese-linz.at/bibel