Seit achtzehn Jahren versucht die israelische Regierung „Dahers Weinberg” zu enteignen – ein Stück Land bei Bethlehem, das seit Generationen der palästinensischen Familie Nassar gehört. Der Rechtsstreit ist inzwischen zum Symbol geworden.
So beginnen Märchen: Ein Mann namens Daher kauft ein Stück Land. Und er beginnt dort Hunderte von Bäumen zu pflanzen: Oliven, Granatäpfel, Mandel, Feigen und auch Weinstöcke. Nicht nur er selbst, auch seine Kinder und Enkel sollen dank „Dahers Weinberg”, wie der Hügel bald genannt wird, ein gutes Auskommen haben. Doch die Geschichte hat kein Happyend. Das 43 Hektar große Grundstück, das Daher 1916 gekauft hat, soll nicht den Enkeln Dahers gehören. Das behauptet zumindest die israelische Regierung. Israel enteignete 1990 eine Reihe von Hügeln in der Nähe von Bethlehem, unter ihnen auch Dahers Weinberg, um darauf – auf palästinensischem Gebiet – jüdische Siedlungen errichten zu können. Mit Ausnahme von Dahers Grundstück ist das auch gelungen. Doch Dahers Enkel, Daud Nassar, setzte sich im Namen der ganzen Familie zur Wehr. Die Besitzurkunde und Steuererklärungen beweisen die Rechtmäßigkeit ihres Besitzes. Seit 1991 zieht sich der Rechtsstreit nun schon. Die israelischen Gerichte suchen immer wieder neue Einwände – man kann auch Schikanen sagen –, um Daud Nassar mürbe zu machen. Doch er gibt nicht auf. Der Kampf ist längst zum Symbol geworden: für die Willkürherrschaft, die Israel in den besetzten Gebieten ausübt, und für den ungebrochenen Willen der Famile Nassar, gewaltfrei für ihr Recht zu kämpfen.
Begegnung im Weinberg. Der 39-jährige Daud hat für sein Engagement die Formel geprägt: „Wir weigern uns, Feinde zu sein.“ Konsequent bewirtschaftet er den Weinberg seines Großvaters weiter, pflanzt Bäume und erntet. Und er lädt Menschen auf seinen Weinberg ein: Europäer, die auf Pilgerreise sind, Voluntäre, die im Weinberg wohnen, Israelis und Palästinenser aus der Umgebung. Vor allem Workshops für die Kinder aus der Region sind ihm ein Anliegen. „Politisch ist die Situation sowohl auf palästinensischer als auch auf israelischer Seite völlig hoffnungslos. Von den Politikern ist nichts zu erwarten“, analysiert Nassar nüchtern: „Entsprechend groß ist die Frustration unter den Menschen.Wir dürfen darin aber nicht versinken.“ Seine Botschaft: „Man muss trotz allem etwas tun, wir können die Frustration auf Gutes umlenken.“ Zum Beispiel Bäume pflanzen: das ist für ihn mehr als eine Beschäftigungstherapie. Es verbindet mit dem Land und erinnert daran, dass der Friede von unten kommen muss.
Die Lage spitzt sich zu. „Zelt der Völker“ nennt Nasser seine Initiativen auf dem Hügel. An die 2800 Menschen besuchten ihn im Vorjahr. Jetzt ist für ihn die Stunde, an der Basis zu arbeiten. „Ich setze meine Hoffnung auf eine Zivilbewegung von Palästinensern und Israelis, die sagen: Wir wollen miteinander leben.“ Der Rechtsstreit um Dahers Weinberg geht weiter. Je weiter der Bau der israelischen Mauer rund um Bethlehem voranschreitet, desto schwieriger wird auch seine Lage: „Wir gehen ganz ungewissen Zeiten entgegen.“ Aber er wird nicht müde, zu betonen und sich selbst Mut zu machen: „Die Hoffnung muss am Leben bleiben.“