In der Krankheit brechen Fragen auf, die im Alltag oft wenig Platz haben: nach dem Sinn des Lebens und dem Warum des Leids. Der Grazer Moraltheologe Walter Schaupp spricht über die Herausforderung, die Kranksein für den Glauben bedeutet.
Das Gespräch führte Josef Wallner
Was geht in Menschen vor, wenn sie schwer krank werden, ihnen die Diagnose Krebs mitgeteilt wird oder ein Herzinfarkt sie aus einem gestressten Alltag reißt?
Schaupp: Zunächst setzen sie alle Hebel der Schulmedizin und vielfach auch der alternativen Behandlungsformen in Bewegung, um wieder gesund zu werden. Früher oder später tauchen aber die Fragen nach dem Sinn der Krankheit auf. Interessant ist, dass sich diese Fragen – selbst wenn man es wollte – gar nicht so leicht wegschieben lassen.
Was bedeutet diese Situation für gläubige Menschen?
Der Glaube kann eine Entlastung bewirken, weil Glaubende überzeugt sind, dass das irdische Leben nicht der letzte Horizont ist. Aber damit sind die bohrenden Fragen nicht einfach vom Tisch. Vielfach wird zum Problem, wie man mit den offenen Baustellen des Lebens umgehen soll, mit zerbrochem Beziehungen und mit der Schuld, die immer irgendwie damit verbunden ist. Die Sehnsucht nach Versöhnung ist das große Thema am Krankenbett – vor allem am Ende des Lebens.
Die Kirche bietet hier die Beichte an ...
Ja, hier ist ein wichtiger Ort für das Bußsakrament. Ich plädiere aber dafür, in der Krankenseelsorge verschiedene Formen der Versöhnung anzubieten, die mit Zeichen und Symbolen verbunden sind. Das kann zum Beispiel heißen, jemandem ein Kreuzzeichen auf die Stirn zu zeichnen, gemeinsam zu beten, die Hand aufzulegen oder eben die volle Form des Bußsakramentes mit einem Kranken zu feiern. Das hängt mit den heute ganz unterschiedlichen religiösen Voraussetzungen der Menschen zusammen, denen es mit Respekt zu begegnen gilt.
Für Christen kann die Krankheit auch eine Nähe zum Kreuz haben ...
Kranke Menschen sind ungeheuer empfänglich für Angebote, die helfen, ihre Situation zu bewältigen. Dem Kreuz kommt hier sicher eine besondere Bedeutung zu. Gleichzeitig bergen unreflektierte Vorstellungen vom Sinn des Kreuzes auch die Gefahr, dass sie Kranken Angst machen und Schuldgefühle schüren. Eine Begleitung durch Seelsorger und Seelsorgerinnen ist hier hilfreich.
Einladung zum Welttag der Kranken
Unter dem Thema „Ich war krank, und ihr ...“ laden die Elisabethinen zu einem Vortrags- und Gesprächsnachmittag am Welttag der Kranken, den 11. Februar 2010. Von der Bekämpfung der Krankheit bis zur umfassenden Sorge um den kranken Menschen wird sich der Bogen des Nachdenkes spannen. Als Referenten sind die Pflegewissenschafterin Christel Bienstein und der Moraltheologe Walter Schaupp geladen. Im Anschluss an die Vorträge nehmen mit den Referenten an einem Podiumsgespräch teil: Dr. Franz Harnoncourt (ärztlicher Leiter und Geschäftsführer des Elisabethinen-Spitals), der Primararzt der Onkologie, Prof. Dr. Ansgar Weltermann und die Vikarin des Ordens, Sr. Barbara Lehner.
Welttag der Kranken, Donnerstag, 11. Februar 2010, 13.30 bis 17 Uhr im forte Fortbildungszentrum der Elisabethinen (Museumstraße 31), um 18 Uhr Gottesdienst in der Elisabethkapelle (Eingang Spital) mit Krankensegnung.
Walter Schaupp (geb. 1954, Kirchberg am Wagram, Niederösterreich) absolvierte nach dem Medizinstudium ein Jahr als Turnusarzt im Krankenhaus der Barmherzigen Schwestern in Linz. Anschließend studierte er Theologie und wurde 1985 zum Priester geweiht. Seit 2003 lehrt er Moraltheologie in Graz.