Weniger Priester, sinkende Kirchenbeiträge, Missbrauchsskandal – die katholische Kirche steckt in der Krise. Doch die schwierige Situation darf nicht den Blick auf die erfolgreichen Einrichtungen der Kirche verstellen. Die KIZ holt einige vor den Vorhang.
Meist zur Zeit ihres Entstehens finden sie öffentliche Aufmerksamkeit, doch bald gehören sie ganz selbstverständlich zum Leben der Kirche vor Ort – jene Institutionen, die unabhängig von Kirchenkrisen und weltkirchlichen Großwetterlagen den Menschen nahe sind und bleiben. Macht man sich die Mühe, diese Initiativen und Einrichtungen zu sammeln, staunt man über deren Anzahl, und wie sehr sie das Gesicht der Kirche Oberösterreichs prägen. Da sind die spirituellen Wegbegleiter/innen. Innerhalb weniger Jahre ist ein Netzwerk von 120 Frauen und Männern gewachsen, das Begleitung von Trauernden, beim Pilgern, Fasten, von Exerzitien und anstehenden Lebensentscheidungen anbietet. Eine besondere Form des Beistands ist die Notfallseelsorge. Verbunden mit den Blaulichtorganisationen werden die 100 ehrenamtlichen Notfallseelsorger/innen zu 200 Einsätzen im Jahr gerufen. Im Unterschied zu den Wegbegleiter/innen, die sich Anfang 2008 konstituiert haben und der ökumenischen Notfallseelsorge, die 2002 die Arbeit aufgenommen hat, sind die Telefonseelsorge und die „Ehe-, Familien- und Lebensberatung“ traditionelle Einrichtungen, die aber unverändert aktuell sind. So gibt es im Bereich „beziehungleben.at“ jährlich 20.000 Beratungen, die Telefonseelsorge verzeichnet 21.000 Anrufe.
Initiativen in Pfarren. Ausgelöst durch den Priestermangel ist auch in den Pfarren Neues gewachsen: Im Herbst 2010 wird der 100. Ständige Diakon geweiht, in vierzig Pfarren sind Seelsorgeteams am Werk, weiters fünfzig Pfarrassistent/innen im Einsatz. Für die Abhaltung von Wort-Gottes-Feiern stehen 1.155 ausgebildete Männer und Frauen zur Verfügung.
Zum Beispiel. Beträchtlich ist auch die Zunahme an Veranstaltungen und Teilnehmer/innen zum Beispiel im Bildungshaus Schloss Puchberg. Kamen 1995 25.500 Menschen zu 662 Veranstaltungen, waren es 2009 42.000 Menschen (1.411 Veranstaltungen). „Im Sinn des 2. Vatikanischen Konzils wollen wir bei den Menschen sein mit Angeboten, die ihre Freude und Hoffnung, Trauer und Angst ernst nehmen“, erklärt Bildungshaus-Direktor Wilhelm Achleitner. Die hier vorgestellte Liste der Bereiche, wo Kirche lebt und oftmals auch wächst, ist – Gott sei Dank – nicht vollständig, es geht darum, den Blick für diese Bewegungen zu schärfen. Leicht wird man im großen Bereich der Caritas, des Katholischen Bildungswerks und der Krankenhausseelsorge fündig, ebenso bei den Eine-Welt-Komitees und der Osthilfe.
Absichtslos für die anderen dasein
Kommentar
Es geht nicht um Selbstberuhigung und auch um kein Ablenkungsmanöver, sondern um etwas, das man in Zeiten der Krise leicht vergisst: auf das Positive zu schauen. Was trotz allem in der Kirche lebt, blüht, wächst, neu entsteht. Die tägliche Zeitungslektüre oder die halbleeren Kirchen am Sonntag – der Alltag sorgt schon dafür, dass man den Bezug zur Realität nicht verliert. Das Bildungshaus Schloss Puchberg hatte zu einem Abend mit dem Titel „Erfolgreich in der Kirche” geladen, bei dem Vertreter/innen jener Einrichtungen, die im Artikel „Wo die Kirche wächst” erwähnt werden, referierten. Das ernüchternde Ergebnis: Trotz intensivster Werbung kamen weniger Teilnehmer/in-nen als Referenten. Offensichtlich erwarten sich viele Menschen von der Kirche nichts Innovatives. Die aber gekommen sind, waren begeistert: Das sollten wir in der Pfarre auch einmal tun, uns gegenseitig zu erzählen, was gelingt, uns Freude macht und ermutigt.
Sucht man nach dem Verbindenden jener Bereiche, wo die Kirche auflebt, lassen sich zwei Hauptstränge ausmachen. Erstens, wo die Würde ernst genommen wird, die jedem Getauften zukommt. Ob spiritueller Wegbegleiter oder Leiterin von Wort-Gottes-Feiern – jeder und jede Christ/in hat Kraft der Taufe die Berufung, in der Kirche und für das Reich Gottes zu arbeiten. Das sind keine Gnadenakte der kirchlichen Hierarchie, die unter dem Diktat der Not keinen anderen Ausweg mehr weiß. Und zweitens kommt die Kirche dort an, wo sie absichtslos den Menschen beisteht, und nicht unausgesprochene Werbestrategien mittransportiert, wo sie ganz Kirche für andere ist wie z. B. in der Notfallseelsorge.