Die entschlossenen Körperhaltungen, die drohenden Gesten und aufgerissenen Münder lassen das „Kreuzige ihn“ für den Betrachter des Bildes nahezu hörbar werden. Nackt mit gebundenen Händen, Lendentuch, Purpurmantel und Dornenkrone ist Christus der johlenden Meute ausgesetzt: Pilatus führt ihn als „König“ auf der Balustrade einer italienischen Palastarchitektur vor. Statt Jubelrufen streckt ihm die versammelte Menge die gekreuzten Finger als Verdeutlichung ihrer Rufe „Kreuzige ihn“ entgegen. Es ist ein roher, grobschlächtiger Menschenschlag mit kantigen Gesichtern, finsteren Augen und breiten Mündern, der hier in Aktion tritt. Die Männer sind farbenfroh gekleidet – weich fallende Gewänder und Kappen geben Auskunft über die Mode ihrer Zeit. In unschuldigem Weiß hat sich sogar ein kleines Kind mit seinem windradähnlichen Spielzeug in der Menge eingefunden.
Aus der Zeit Martin Luthers. Die „Verspottung“ ist ein großes Kunstwerk seiner Zeit, das an Dramatik und Eindringlichkeit die Betrachter berührt. Es ist im Umfeld der Bauernaufstände von 1525 und des Auftretens der ersten lutherischen Prediger entstanden. So erinnert auch der stattliche Mann mit Stock, links im Bild, an zeitgenössische Darstellungen von Martin Luther. Über die kunstgeschichtliche Bedeutung hinaus macht die „Verspottung“ auch eindringlich die Kraft von johlenden Massen gegenüber jenen deutlich, die diesen mit gebundenen Händen vorgeführt und ausgesetzt werden. Eine Dramatik und Polarisierung, die auch 500 Jahre nach der Entstehung der „Verspottung“ in Geschehnissen ihre Aktualität hat. Die Gaspoltshofener Tafeln. Die Tafel „Verspottung“ ist neben der „Geißelung“ und „Kreuztragung“ eine von drei erhaltenen Tafeln eines Passionszyklus. Sie sind Teile eines Flügelaltares mit acht beidseitig bemalten Tafelbildern. Die Passionsszenen befanden sich auf der Außenseite des Altares und waren nur bei geschlossenen Altarflügeln, an Werktagen und zur Fastenzeit, sichtbar. Die Größe der erhaltenen Tafeln, 150 x 130 cm, weist auf eine Dimension des Altares von etwa elf Meter hin, vergleichbar mit den Flügelaltären von St. Wolfgang oder Kefermarkt. Der Altar wurde vermutlich zur Zeit des Kirchenneubaus in Gaspoltshofen (1732 bis 1735) abgebrochen. Ein Brand im Jahr 1832 beschädigte die Tafeln schwer; eine vierte noch erhaltene Tafel, die mit 1522 datiert war, ist dem Feuer vermutlich zum Opfer gefallen.
Die Tafeln zählen zu den bedeutendsten Gemälden der Zeit der Donauschule in Oberösterreich. Sie wurden in den 1980er Jahren restauriert und werden zur Zeit unter den sicherheits- und klimatechnisch notwendigen Bedingungen in der Studiensammlung der Diözese Linz aufbewahrt. Reproduktionen in Originalgröße sind seit 2010 in der Turmkammer der Pfarrkirche Gaspoltshofen zu sehen.