Der Name der Stadt Suva Reka im Süden des Kosovo heißt zu deutsch „Trockener Fluß“. Von Trockenheit ist derzeit keine Rede im Kosovo. Viel eher von den Wunden, die der Krieg schlug und vom Winter, der vor der Tür steht.
Suva Reka, ein Donnerstag im Oktober 1999. Im verrauchten Büro der lokalen Mutter Teresa-Hilfsorganisation beraten Männer die nächste Verteilung der humanitären Hilfsgüter. „Ohne ausländische Nahrungsmittel überleben wir nicht“, berichtet der Vorsitzende des örtlichen Hilfskomitees.
Im Frühjahr, zur Saatzeit, tobte im Kosovo, der Krieg. Die Felder blieben unbestellt. Auch in Zukunft werden nur wenige Bauern am Feld arbeiten können. Bis zu einer Million Minen wurden von der serbischen Armee in der Erde des Kosovo vergraben. Die serbischen Soldaten und Polizisten wichen im Juli dem Druck der NATO-Angriffe und zogen ab. Zurück blieb die Bedrohung durch Minen.
Nicht nur aus der Zivilbevölkerung gibt es ständig Verletzte nach Minenunfällen. Auch die KFOR-Soldaten müssen ständig mit der Gefahr der versteckten Sprengsätze leben. Unter den österreichischen Soldaten gab es bisher Gott sei Dank keine Probleme, von zwei Blechschaden-Unfällen im Straßenverkehr – im Kosovo Gefahrenherd Nummer Eins – abgesehen.
Für die österreichischen Teilnehmer an der Mission im Kosovo – 485 Bundesheer-Soldaten – ist der Aufenthalt alles andere als ein Urlaub. Zunächst bauten Pioniere ein Containerdorf mit mehr als 700 Containern im „Camp Casablanca“ auf. Auf dem Gelände einer ehemaligen Gummifabrik leben auch Deutsche, Holländer, Schweizer und Slowaken, insgesamt rund 2000 Mann.
Tag und Nacht am Checkpoint
Zu den Hauptaufgaben der Österreicher zählt die 24-Stunden-Betreuung jenes Checkpoints, der an der wichtigsten Straße von Pristina zur albanischen Grenze liegt. Immer wieder werden bei den Kontrollen Waffen gefunden, obwohl – nach offiziellen Angaben – die meisten Gewehre und Pistolen aus den Beständen der inzwischen aufgelösten albanischen Befreiungsarmee UCK in Waffenlagern abgegeben wurden.
Andere österreichische Soldaten patrouillieren täglich mit Radpanzern vom Typ Pandur durch die 61 Dörfer der Umgebung. Im hügeligen Bergland (Seehöhe 500 bis 800 Meter) sind die Nächte bereits empfindlich kalt. Die Menschen, darunter viele heimgekehrte Flüchtlinge, stehen nahezu rund um die Uhr in den Baustellen ihrer Häuser, um noch vor dem Winter ein Dach über dem Kopf zu haben. Österreichische Soldaten helfen beim Transport von Baumaterial und anderen Hilfsgütern. Man ist um guten, freilich korrekten Kontakt zur Bevölkerung bemüht.
Hunderte Kinder säumen die Straßen im geburtenstärksten Teil Europas. Sie winken, wenn die Österreicher kommen. Ihre Zeichen sind mehr als ein Gruß. Sie bedeuten Hoffnung auf Unabhängigkeit, Freiheit und Selbstverwaltung. Sie drücken Sehnsucht nach Frieden aus und den Wunsch, die Tränen des Krieges vergessen zu können. Wieviele Menschen liegen in Massengräbern? Wieviele Gräber sind noch unentdeckt?
Mit Leid und Gewalt umzugehen fällt den österreichischen Soldaten nicht leicht. Dann ist einer besonders gefragt: Militärpfarrer Gerhard Hatzmann aus Graz. Nicht nur, weil er für alle ein offenes Ohr, ein gutes Wort, ein Neues Testament oder auch nur einige Firn-Zuckerl bereit hat. Für ihn zählt der Mensch, dem er Gutes tun und sagen kann. Zum Beispiel bei der Sonntagsmesse im Camp, bei der die „Suva Reka-Gospel Singers“ (so heißt der Soldaten-Kirchenchor) aus voller Kehle singen. Mitten im Kosovo-Einsatz kommt Freude auf.
KFOR-Einsatz
485 Soldaten aus Österreichsind derzeit bei der internationalen UN-Friedenstruppe KFOR im Kosovo im Einsatz. Das österreichische Kontingent ist Teil der multinationalen Brigade Süd, die 9000 Mann zählt und unter deutschem Kommando steht. Die Österreicher sind im neu errichteten Container-Camp „Casablanca“ bei Suva Reka untergebracht. Die Einsatzdauer beträgt sechs Monate. Für das Ablösekontingent ab April 2000 werden bereits Soldaten (Infanteristen, Kraftfahrer und Panzergrenadiere) gesucht.