Komponieren ist sein tägliches Geschäft. Lässt sich das Geheimnis um Österreichs einzigen zeitgenössischen Barockkomponisten lüften? Ein Besuch vor Ort schafft interessante Einblicke in das Leben eines phantasievollen, begeisterten Musikers.
Schon mal von Franz Xaver Frenzel gehört? Im Linz09-Pausenfilm beim heurigen Neujahrskonzert ertönten seine Fanfaren. Das Bruckner Orchester hat unter der Leitung von Dennis Russell Davies im Jahr 2008 die „Rieder Symphonie von F. X. Frenzel“ auf CD eingespielt. Frenzel schuf auch ein „Engelsoratorium“ für das Stift Reichersberg. Im Sommer steht das nächste große Konzert – ein Auftragswerk für ein Jugendorchester – in Ried an. Das ganze Jahr über ist Frenzel gut im Geschäft. Konzerte dort, Premieren da. Wer aber steckt hinter Franz Xaver Frenzel? Es wird Zeit, das herauszufinden.
Personalunion Katt und Frenzel. Ich mache mich auf die Suche nach Österreichs vermutlich einzigem lebendem Barockkomponisten. Ein Blick ins Telefonbuch, ein Klick auf die Homepage von „FXFrenzel“ führt zur Erkenntnis: Aufklärung könnte hier ein Besuch bei Friedemann Katt schaffen. Der ist immer zur Stelle, wenn Franz Xaver Frenzel ins Spiel kommt. Die beiden Herren bilden eine Personalunion: Katt gibt das Interview, Frenzel komponiert. In Linz steige ich ins Auto und fahre nach Ried. Dort wohnt Herr Katt in einem Reihenhaus. Verwehte Winterlandschaften ziehen an meinen Augen vorbei. Verschneite Bauernhäuser am Straßenrand ... – als wäre die Zeit stehen geblieben. Ich komme nach einer Stunde an und werde freundlich von Herrn Katt empfangen.
Im Barock zu Hause. Mit meinem Fragenkatalog nähere ich mich dem Phänomen Franz Xaver Frenzel – und Friedemann Katt steht mir Rede und Antwort: „Ich war in jungen Jahren Organist in Heiligenkreuz und habe viel musiziert und auch kleine Stücke komponiert. Dort habe ich die Erfahrung gemacht, dass Kompositionen von mir gut ankamen. Besonders dann, wenn ich als Komponisten einen gewissen bis dahin unbekannten Franz Xaver Frenzel namhaft machen konnte.“ Aufgrund der Reaktionen des Publikums war für Friedemann Katt schnell klar, dass ein toter Komponist mehr wert ist als ein lebender. Keiner kennt diesen Frenzel daher so gut wie Friedemann Katt. Er hat Frenzels Identität durchkomponiert: Laut Katt handelt es sich bei Frenzel um einen Heiligenkreuzer Komponisten, der dort als ein „pater familiaris“ gelebt hat. Seine Welt ist die Barockwelt. In dieser Zeitepoche sind auch seine Werke angesiedelt. Technisch einwandfrei komponiert erschafft Katt alias Frenzel Symphonien, Musik für Blechbläser und Klavier, Choralwerke, Kammermusik – und das sehr professionell mit E-Piano und Computer.
Freiheit als Komponist. Keine Frage, dieser Mann weiß, was er tut und hat sein Handwerk an der Uni gelernt. Aber warum taucht er in die Barockmusik ein und nicht in die Musik unserer Zeit? „Franz Xaver Frenzel ist die große Antwort darauf, was ich in der Musikwelt vorgefunden habe“, erklärt Friedemann Katt: „Ich brauche die Spiele in der gegenwärtigen Musikwelt nicht mitzuspielen. Ich bin wie ein Schriftsteller, der Romane schreibt.“ Komponieren tue er im Kopf, der Computer sei nur Hilfsmittel, beschreibt er seine Arbeitsweise. Die erdachte Klangwelt gießt er in Noten, die er dann über den Computer mit verschiedener Instrumentierung ein- und abspielen kann. Das erleichtere ihm und seinen Musikern, eine Vorstellung davon zu bekommen, wie seine Werke klingen sollen. Nach der Fragestunde wird die Tür zur Komponierstube geöffnet. Endlich! Friedemann Katt gewährt mir einen interessanten Einblick in seinen täglich stattfindenden Schaffensprozess. Hörproben am E-Piano und am Cembalo zeigen: hier ist ein kreativer Geist am Werk.
Darf man das? „Darf man heute Barockmusik schreiben?“, fragen sich manche. Ist das eine Flucht vor den Anforderungen unserer Zeit? Ein Rückzug? Oder ein Spiel mit der künstlerischen Freiheit? – Mit Antworten sind Musiker/innen und Musik-Kritiker vorsichtig. Positiv wird in zahlreichen Beiträgen erwähnt, dass Friedemann Katt zu einer glaubwürdigen eigenen Musiksprache gefunden habe und das Handwerk des Komponierens beherrsche. Beim Durchhören der zahlreich eingespielten Werke auf CD wird dieser Eindruck bestätigt. Im CD-Heftchen, das der Rieder Symphonie beiliegt, ist nachzulesen: „Durch die kuriose Entstehung der barocken Kunstfigur Franz Xaver Frenzel im Stift Heiligenkreuz war es Katt möglich, sich frühzeitig von akademischen Zwängen zu befreien und seine Musik unabhängig von stilistischen Auflagen zu schreiben.“ – Das ist ihm gelungen. Mittlerweile hat sich sein Spektrum erweitert: Von Barock bis Klassik – mit poppiger Ausrichtung und einem Hang zum Swing – ist alles möglich. Melodie und Rhythmik bestimmen seine Werke, folkloristische Anleihen sind gewollt.
Eigene Welt. Für Auftragsarbeiten ist F. X. Frenzel offen. Schließlich muss das Leben als Barockkomponist im 21. Jahrhundert erst mal finanziert werden, .... obwohl für neue Aufgaben im Jahr 2009 nicht mehr viel Zeit bleibt und der Terminkalender schon prall gefüllt ist. Katt hat sich erfolgreich seine eigene Welt geschaffen und Frenzel dankt es ihm. Ich kehre zurück nach Linz. In meinem Kopf schwirren tausende Noten umher. Zu Hause höre ich mir in aller Ruhe die neue „Rieder Symphonie“ an. Klingt sehr vertraut, lieber F. X. Frenzel!
Friedemann Katt
geboren am 8. 12. 1945, Vater Leopold war ebenfalls Komponist. Friedemann Katt studierte Komposition bei Prof. Alfred Uhl an der Hochschule in Wien, war Organist im Stift Heiligenkreuz und Musikerzieher. Seit 1989 ist er hauptberuflich als Komponist tätig. Er lebt mit Familie in Ried im Innkreis. Die Kunstfigur „Franz Xaver Frenzel“ ist seine Schöpfung.