Die Bezahlung von jungen Medizinerinnen und Medizinern ist ein präsentes Thema. Im Gespräch mit Clemens Kaindlstorfer aus Neuhofen an der Krems wird jedoch schnell klar, dass es angehenden Ärztinnen und Ärzten um viel mehr geht als ums Geld.
Ausgabe: 2014/34, Arzt, Kaindlstorfer, KPJ
19.08.2014 - Dagmar Giglleitner
Wie stehst du zur Einführung des Klinisch-Praktischen Jahres (KPJ)? Kaindlstorfer: Ich finde es positiv, dass es nun eine einheitliche Ausbildung der verschiedenen Unis gibt. Jedoch sollte es eine Entlohnung geben – ein kleines Praktikumsentgelt ist das Mindeste. Jeder Lehrling bekommt in seiner Ausbildung von Anfang an ein Gehalt! Das KPJ ist schließlich mehr als ein Praktikum, weil man Verantwortung übernimmt, und dadurch die Klinik wirklich unterstützt wird.
Machst du dein Praxisjahr wegen der Bezahlung in der Schweiz? Ja, aber das ist nicht der Hauptgrund. Wichtiger ist mir noch, ein anderes Gesundheitssystem kennenzulernen und eine gute Ausbildung zu erhalten. Leider bekommt man im Praxisjahr an österreichischen Kliniken oft nur etwas erklärt, wenn gerade jemand Zeit und Lust hat. In der Schweiz bin ich dagegen als Unterassistent angestellt und habe ein eigenes Tätigkeitsprofil. Österreich muss kapieren, dass andere Länder attraktiver sind! Ich hoffe, dass sich die Situation mit dem neuen KPJ verbessert.
Wenn du drei Dinge an den Arbeitsbedingungen von Ärzt/innen ändern könntest – was wäre das? Es schreckt ab, wenn man das Gefühl hat, alles hinter den Beruf stellen zu müssen. Mit normalen, geregelten Arbeitszeiten wird „Arzt“ wieder zu einem Beruf, neben dem man auch noch leben kann. Dafür soll der Arzt in der Zeit im Krankenhaus wirklich für die Patienten da sein. Die zeitraubende Schreibarbeit könnte eine Sekretärin oder ein Sekretär in einer Woche lernen! Ein weiteres Problem ist, dass ein Arzt in einem Krankenhaus wie Graz mit Versorgung, Forschung und Lehre quasi drei Jobs hat! Deshalb bleibt verständlicherweise oft wenig Zeit für die Studierenden und deren Ausbildung. Universitätsklinik und Versorgungskrankenhaus sollten deshalb getrennte Einrichtungen sein.
Woran orientierst du dich, wenn du als Arzt mit schwierigen ethischen Fragen konfrontiert wirst? Mir wurden in meiner Erziehung christliche Werte mitgegeben, die ich jetzt auch lebe. Sie geben mir Halt und Geborgenheit, weil ich in schwierigen Situationen oft das Gefühl habe, an der Hand genommen zu werden. Dann kann ich darauf vertrauen, dass es gut wird.
Der Glaube spielt also in deinen medizinischen Tätigkeiten eine wichtige Rolle? Ich versuche, nicht nur das Organische zu sehen, sondern jeden Menschen als Kind Gottes wahrzunehmen. Menschsein ist für mich viel mehr, als nur physische Existenz! Ich möchte Glauben und Medizin verflechten, weil ich der Meinung bin, dass beides zusammen gehört, ja dass man den Menschen überhaupt nicht von Gott trennen kann. Spätestens wenn man an die Grenze des menschlich Möglichen kommt, beginnen sich beide Bereiche zu berühren.
Welchen Tipp hast du für junge Menschen, die überlegen, einen medizinischen Beruf zu ergreifen? Unbedingt ausprobieren! Die Berufe sind so vielseitig, vom peniblen Labormediziner bis zum chirurgischen „Handwerker“, dass es für jeden Typ Mensch Spannendes zu entdecken gibt. Es braucht begeisterte Ärztinnen und Ärzte, die Menschen und nicht nur Körper behandeln. Das erlebe ich als wirklich erfüllend.