Cilli ist eine liebevolle Oma und die Enkerl sind ihr immer willkommen. Nur das Thema „Religion“ hätte sie vor Kurzem fast mit ihrer ältesten Tochter Martina entzweit.
Ausgabe: 2017/50
12.12.2017 - Andrea Holzer-Breid
„Meine Töchter haben ihre Kinder zwar taufen lassen, gehen aber kein einziges Mal im Jahr mit ihnen in die Kirche. Wenn ich die Kinder mitnehme, sind sie unruhig und zappeln herum, weil sie das lange Sitzen nicht gewohnt sind. Ich möchte aber, dass meine Enkerl eine Ahnung vom lieben Gott bekommen.“
Die Sichtweise der Oma
Cilli hat Religion als etwas Positives erlebt. „Wir haben daheim immer ein Kreuzzeichen auf das Brot gemacht, bevor wir es angeschnitten haben, und vor dem Essen ein Tischgebet gesprochen. Alles, was von Gott kommt, wurde geehrt: die Lebensmittel, die Gäste, die Eltern und vieles andere. Natürlich war alles strenger, z.B. die Fasttage. Dafür freuten wir uns dann umso mehr, wenn wir am Ostersonntag einen guten Braten essen durften. Jeden Sonntag gingen wir in die Kirche, was manchmal mühsam war, weil wir immer so früh aufstehen mussten. Aber da gab es keinen Pardon. Es hat uns nicht geschadet. Für mich ist der Glaube ein Halt in schwierigen Zeiten. “
Die Sichtweise der Tochter
„Ich wünsche mir, dass meine Mutter mich nach meinen Vorstellungen erziehen lässt. Dauernd macht sie sich Sorgen um unsere Kinder. Das nervt und ärgert mich. Dass sie die Kinder nun auch noch so oft in die Kirche mitnehmen will, finde ich echt übergriffig. Sie soll es respektieren, wenn sie nicht gehen wollen. Ich habe keine positiven Erfahrungen mit Religion. Besonders das Beichten habe ich gehasst. Den moralischen Zeigefinger und das Denken über Schuld und Sünde möchte ich in meiner Familie nicht. Meine Kinder sollen frei aufwachsen.“
Werte und Respekt
Im Gespräch versuchen Mutter und Tochter die Sichtweise der anderen zu verstehen. Für Martina haben Freiheit und Unabhängigkeit höchste Priorität. Sie möchte, dass ihre Mutter ihre Art zu erziehen respektiert: „Ich wünsche mir, dass du hinter mir stehst und mich nicht immer in Frage stellst!“ Für Cilli sind die Zugehörigkeit zu einer Gemeinschaft, zur Religion und klare Regeln und Gebote lebenswichtig. Sie kommen überein, dass jede ihre Beziehung und ihre Werte mit den Kindern haben darf und die Kinder sich jeweils das nehmen, was ihnen gut tut. Mit der Oma darf die Religion Thema sein, mit der Mama können sie eine Vorstellung von Freiheit bekommen. Die Verschiedenheit von Oma und Mama ist keine Gefahr, sondern eine Bereicherung für die Kinder. Cilli kann ihren Enkerln aus der Kinderbibel vorlesen und ihnen aus ihrer religiösen Kindheit erzählen. Sie kann mit ihnen in die Kirche gehen, wenn die Kinder auch möchten. Sie kann ihnen etwas vorsingen und zu Weihnachten das Haus mit ihnen räuchern. Es gibt viele Gelegenheiten.