Warum der Altersunterschied zum Problem werden kann
Roman und Manuela sind ein ungleiches Paar. Er groß, kräftig gebaut, sie klein und schmächtig und mindestens 15 Jahre jünger als er. Was sie zu mir führt? Auseinandergelebt, meint er. Der Altersunterschied macht uns wohl zu schaffen, meint sie.
27.01.2015 - Albert A. Feldkircher, Trainings und Seminare
Manuela hat Roman beruflich kennengelernt. Er ist Unternehmensberater, selbstständig. „Er hat auf mich Stärke ausgestrahlt, in seiner Nähe fühlte ich mich sicher und wohl.“ Roman erinnert sich: „Manuela ist mir im Team gleich aufgefallen. Ihr Aussehen, aber auch ihre Zartheit. Das ist was zu beschützen, dachte ich.“
Vom starken Mann zum Langeweiler
Ein halbes Jahr später heirateten sie. Sie haben zwei Kinder und wohnen in einem Eigenheim am Stadtrand. Soweit, so gut. Aber beziehungsmäßig ist schon längere Zeit „der Wurm drin“ wie es Manuela ausdrückt: „Wir sind schon lange nicht mehr zu zweit ausgegangen. Für ihn zählt die Arbeit am meisten. Und den Rest Energie beanspruchen dann die Kinder! Wenn er mal nicht arbeitet, will er nur zu Hause sitzen. Echt ein Langeweiler. Ich hätte mir nicht gedacht, dass unser Altersunterschied jetzt, wo Roman gegen 50 geht, sich so auswirkt. Ich bin frustriert. So habe ich mir unsere Ehe nicht vorgestellt.“
Unzufriedenheit statt Familienidyll
Roman sieht das natürlich anders. „Ja, ich liebe meine Arbeit, aber das tue ich schließlich auch alles für meine Familie. Das wird wohl nicht gesehen. Stattdessen liegt Manuela mir dauernd in den Ohren, dass ich sie im Haushalt entlasten soll, und außerdem will sie ständig was unternehmen, ausgehen usw., dabei haben wir’s doch so schön zu Hause. Ich versteh das nicht. Als wir heirateten, wollte ich schließlich eine glückliche und zufriedene Familie gründen. Und jetzt sehe ich jeden Tag eine unzufriedene Frau.“
Die Probleme liegen tiefer
Den Grund im Altersunterschied zu suchen wäre wohl die einfachste Erklärung. Es könnte aber ein Deckmantel für andere – tiefer liegende – Probleme sein. Auch Romans Erklärung mit „auseinandergelebt“ ist zu vage und ein Allgemeinplatz. Im Laufe der Gespräche kristallisiert sich heraus, dass beide mit unterschiedlichen Wertehaltungen und Vorstellungen ihre Ehe begonnen haben. Roman kommt noch aus einer patriarchalisch geführten, traditionellen Ehe seiner Eltern. Das hat er als positiv erlebt, da waren die Rollen klar verteilt. Manuela, fast eine Generation jünger und aus einem liberalen Elternhaus stammend, kommt mit ihrer Vorstellung einer partnerschaftlich geführten Beziehung nicht zu Roman durch. Er baut Widerstand auf, weil er etwas verteidigt: seinen Wert von Ehe. Aber es ist ihnen beiden nicht bewusst, dass sie deshalb ständig in einem Machtkampf stecken und beide frustriert sind. Ein „Werte-Test“ bestätigt meine Vermutung. Für Manuela zählen: Liebe, Zärtlichkeit, Zuverlässigkeit, partnerschaftlich „auf Augenhöhe“ sein, Abwechslung, Vertrauen, Zweisamkeit, Kinder, gemeinsame Ziele. Für Roman zählen: Sicherheit, Geborgenheit, Harmonie in der Familie, Kinder, etwas gemeinsam Geschaffenes, Freundschaft, Sex.
Gespräche entspannen den Machtkampf
Das Reden geht am besten zu dritt im Beratungskontext. Ziel ist, dass die beiden verstehen, was jeweils dem anderen wichtig ist und wofür er/sie sich einsetzt. Damit wird der Machtkampf aufgelöst. Im nächsten Schritt suchen sie die Übereinstimmungen. Darauf können sie aufbauen. Schließlich in einem dritten Schritt suchen die beiden zusätzliche, neue, bisher vielleicht vernachlässigte Werte und finden: Humor und Spiellust.
Gegensätze ziehen sich an
Dieses Sprichwort trifft bei Paaren mit Altersunterschied besonders zu, erfordert aber viel Verständnis, Toleranz und Gemeinsamkeiten, die es ständig zu pflegen gilt. Eine weitere Herausforderung in Beziehungen mit großem Altersunterschied ist Dominanz und Unterordnung. Wer führt wo und wann? Welches ist mein Bereich und was ist deiner? Die Gefahr besteht, dass der Ältere aufgrund seiner größeren Lebenserfahrung aktiv oder passiv mehr an sich nimmt, den anderen zu dirigieren und beschützen geneigt ist. Da ist keine böse Absicht dahinter, es erzeugt aber eine Schieflage und verhindert eine partnerschaftliche Beziehung auf Augenhöhe. Wenn die Partner ihre Vorstellungen vom Leben einigermaßen synchronisieren können, gemeinsame Ziele und Träume haben, kann der Altersunterschied sogar eine Win-Win-Situation für beide Partner schaffen, beide können viel voneinander lernen.
Neue Gemeinsamkeit
Manuela und Roman haben sich kürzlich im Tanzclub angemeldet und gehen nun jede Woche einmal dort trainieren. Sie werden sich zwar noch manchmal gegenseitig auf die Füße steigen, aber ich meine, sie haben gute (Tanz-)Schritte gemacht.
Bei Fragen und Problemen wenden Sie sich an: BEZIEHUNGLEBEN.AT, Partner-, Ehe-, Familien- und Lebensberatung, Kapuzinerstraße 84, 4020 Linz, Tel. 0732/77 36 76.