Späte Ehre für den „einsamen Steuermann des Konzils“
Kein anderer Papst des 20. Jahrhunderts wird so stark auf eine Aussage aus einer Enzyklika reduziert. Doch Paul VI. hat deutlich mehr geleistet, als in Humanae vitae das Verbot künstlicher Empfängnisregelung zu verlängern. Daher wurde er nun von Papst Franziskus am Sonntag seliggesprochen.
„Während sich eine säkularisierte und feindliche Gesellschaft abzeichnete, hat er es verstanden, weitblickend und weise – und manchmal einsam – das Schiff Petri zu steuern, ohne jemals die Freude am Herrn und das Vertrauen auf ihn zu verlieren“, sagte Franziskus bei der großen Messe, die gleichzeitig das Ende der außerordentlichen Sitzung der Bischofssynode markierte.
Konzil
Zwar wird das Zweite Vatikanische Konzil vor allem mit Pauls Vorgänger Johannes XXIII. in Verbindung gebracht. Tatsache ist aber, dass die Hauptlast der Verantwortung dafür der als Giovanni Battista Montini im norditalienischen Brescia geborene Paul VI. trug. Viele rechnen es ihm hoch an, das Konzil überhaupt fortgesetzt zu haben. Ihm komme das Verdienst zu, den „Monster-Tanker katholische Kirche“ mit beinahe einer Milliarde Mitgliedern nicht nur auf neuen Kurs gebracht, sondern auch vor dem Auseinanderbrechen in stürmischer Zeit bewahrt zu haben, betont der Wiener Kirchenhistoriker Rupert Klieber. Paul VI. habe „epochale Weichenstellungen“ vorgenommen, sagt Klieber. Er nennt als Beispiele den vergleichsweise konfliktfreien Abschluss des Konzils; die „beherzte Umsetzung“ vieler Konzilsimpulse in Bestimmungen, die teilweise sogar über die Konzilsvorgaben hinausgingen wie etwa im Bereich der Liturgie; spektakuläre Reisen, etwa nach Israel oder Konstantinopel, sowie den einsetzenden Dialog über konfessionelle und weltanschauliche Grenzen hinweg. Sein Pontifikat ist zum ersten „modernen“ der Kirchengeschichte geworden, urteilt Klieber.
Zölibat und Pille
Zwei Entscheidungen hat Paul VI. dem Konzil entzogen: die Frage nach einer erneuten Duldung der Priesterehe und nach der Akzeptanz neuer Möglichkeiten aktiver Empfängnisverhütung. „Dass Paul VI. in diesen Punkten 1967/68 nicht wie im Fall der Liturgie den richtigen Augenblick zu mutigen neuen Lösungen nutzte, sondern den Argumenten der Traditionalisten folgte, hatte schmerzliche Folgen“, sagt der Historiker. Er verweist zum Beispiel auf „dramatisch viele“ Amtsniederlegungen von Priestern und den Einbruch der Zahl an Seminaristen. Außerdem hätten diese Entscheidungen dem Papst für den Rest seines Pontifikats eine „schlechte Presse“ beschert. Dennoch fällt die Gesamtbilanz hinsichtlich des päpstlichen „Dienstes an der Einheit“ sehr positiv aus: In einem „Ranking“ der großen „Weichensteller“ der Kirchen- und damit Weltgeschichte gebühre Paul VI. einer der oberen Ränge, sagt Klieber. Zu den Leistungen Pauls VI. ist auch die Einführung der Bischofssynode als ständige Einrichtung zu rechnen.
50 Jahre „Nostra aetate“
Am 28. Oktober 1965 verkündete Papst Paul VI. die Konzilserklärung Nostra aetate, welche das Verhältnis der katholischen Kirche zu nichtchristlichen Religionen, insbesondere dem Judentum, auf neue Füße stellte. Aus diesem Anlass lädt der Koordinierungsausschuss für christlich-jüdische Zusammenarbeit zu zahlreichen Veranstaltungen, insbesondere rund um den Tag des Judentums (17. Jänner). www.christenundjuden.org