Sonderpädagogik: Knappes Budget bedroht die Integration
Integration von lernschwachen Schülern würde mehr gut ausgebildete Pädagogen brauchen. Es fehlt am Geld, beklagt der Direktor der Allgemeinen Sonderschule Langenstein, Erich Pammer.
Ausgabe: 2012/44, Integration, Politik, Geld, Pammer, Sonderpädagogische Zentrum Perg, Prinz
30.10.2012 - Ernst Gansinger
„Die Gesellschaft geht in eine andere Richtung“, ist Integrations-Spezialist Pammer skeptisch. „Man schafft immer mehr Randgruppen. Menschen werden auf ihre Brauchbarkeit reduziert. Das äußert sich in der Behindertenarbeit und in der Altenbetreuung.“ Der Computer am Lernpult. In der Allgemeinen Sonderschule Langenstein hat jedes der 45 Kinder einen Computer mit Internetzugang. Es gibt keine Tafel, aber einen großen Screen. „Der Computer gibt dem Kind das Lernen zurück“, setzt der Direktor der Schule, Erich Pammer, auf das computerunterstützte Lernen. Jedes Kind hat einen eigenen Lehrplan, zugeschnitten auf seine Bedürfnisse. „Es wird geschaut, wo das Kind steht, und von dort aus wird es unterrichtet.“ So individuell angepasst kann man nur mit Computerhilfe unterrichten. Integration braucht eine gute Ausstattung. Doch seit zehn Jahren, klagt Pammer, geht es in die andere Richtung: Es wird gespart. Heute gibt es um ein Drittel weniger Stunden für die sonderpädagogische Betreuung als vor zehn Jahren. Da rückt Inklusion in weite Ferne, also der selbstverständliche Einschluss aller – eine Schule für alle.
Und dann in den Beruf? „Die Arbeitswelt wird immer brutaler“, sieht Pammer, dass es Menschen mit Beeinträchtigung sehr schwer haben, am Arbeitsmarkt unterzukommen. Die Inklusionsbewegung komme da zu einem falschen Zeitpunkt. „Die Integration ist äußerst bedroht, da muss Inklusion scheitern!“ Inklusion braucht noch mehr Betreuung und Förderung. Die fehlt aber. „Wir laufen Gefahr, in die 50er-Jahre zurückzukehren, hin zur Eselsbank.“ Kinder in inklusiven Klassen bei fehlender Förderung – das soziale Lernen, das diesem Modell zugesprochen wird, ist dann eher nur ein Vorteil für die Kinder ohne Beeinträchtigung. Pammer sagt es sarkastisch: „So werden behinderte Kinder als Therapiehunde verwendet.“ Erschwerend zur Verringerung der Förderung kommt die Tatsache, dass die Zahl verhaltens-auffälliger Kinder zunimmt. Gerade sie brauchen aber viel Betreuung. Eine Betreuung, für die der Einsatz von Computern Zeit freischaufelt, wie die Sonderschule Langenstein vorzeigt. Aber auch wenn viel gelingen kann, ein Makel bei Schülern und Schülerinnen bleibt eingebrannt: Sonderschulen dürfen keine Volks- und Hauptschulzeugnisse ausstellen. Im Zeugnis steht zudem die Begründung, etwa „Verhaltensstörung“. Da wird die Arbeitssuche zu einer schwierigen Sache. Mit dem Computer lernen. Das Spielen am Computer und Surfen im Internet sind Tatsachen für Kinder und Jugendliche. Dagegen kämpfen habe keinen Sinn. Aber die Schule sollte zum rechten Gebrauch anleiten. „Wir müssen Antworten auf die Lebenswelt der Kinder geben“, sagt Direktor Pammer. Zu dieser Lebenswelt gehört für viele, dass sie täglich in ihrer Freizeit vier Stunden und länger am Computer verbringen. „Die Kinder sollen am Computer spielen, aber gescheite Spiele. Und langsam führen wir sie hinüber in Lern-Software“, sieht Pammer Chancen. Die neuen Medien seien in der Sonderpädagogik eine große Hilfe. „Computergestützter Unterricht schafft Zeit, mit den Kindern zu zeichnen, zu musizieren, über das Leben zu reden. Kognitives Wissen vermitteln kann der Computer besser.“ Der Sonderschulpädagoge und Integrationsexperte Pammer weist auch darauf hin, dass Kinder etwa mit spastischen Lähmungen erst durch speziell ausgestattete Computer zum Lesen und Schreiben befähigt wurden.
Stichwort
Sonderschule, Integration
Es gibt ein Recht auf schulische Integration. Der Besuch der Sonderschule ist freiwillig. Jede/r Schüler/in kann bis zum 18. Lebensjahr den Pflichtschul-Abschluss machen und so lange an der Schule bleiben. Viele Schüler/innen kehren von den anderen Schulen in die Sonderschule zurück. In einer Integrationsklasse an einer Neuen Mittelschule zum Beispiel sollten vier Kinder mit Förderbedarf sein. Allerdings steht auch bei Erfüllung dieser Zahl nur für 22 Stunden ein/e Begleitlehrer/in zu. In der achten Schulstufe sind aber 35 Stunden Unterricht. Das bedeutet: Für 13 Stunden gibt es keine Begleitung mehr.