Reinhard hat Roswitha mit seiner alten Jugendliebe betrogen. Als er 17 war, verbot ihm seine Mutter den Kontakt zu dieser Frau. Als er diese vor einem Jahr auf einem Festival wiedertraf, flammten die alten Gefühle erneut auf und er begann eine Beziehung mit ihr.
Vor zwei Monaten fand Roswitha die Geschichte heraus und stellte ihren Mann zur Rede. Reinhard erklärte ihr, dass die Beziehung zwischen ihm und Roswitha schon lange nicht mehr gut gewesen sei. Dass sie ihn immer wieder in böser Art und Weise kritisiere und dass er von seiner Frau geliebt und gelobt und anerkannt werden möchte. Reinhard hat sich dafür entschieden, bei seiner Frau und den erwachsenen Kindern bleiben zu wollen. Er ist aber weiterhin viel in der Arbeit, hat eine eigene Firma und kommt unter der Woche erst zwischen 21 und 22 Uhr nach Hause. Und trotzdem gibt es wieder schöne Momente zwischen den beiden, auch in der Sexualität. Immer wieder einmal können sie miteinander reden. Doch Roswitha weiß nicht, ob sie Reinhard wieder vertrauen kann.
Wie kam es dazu?
Der Seitensprung eines Partners kann unterschiedliche Ursachen haben. „Außenbeziehungen“ erfolgen oft an Wendepunkten des Lebens – in Zeiten, in denen Veränderung – persönlich oder in der Beziehung – notwendig ist, aber (noch) nicht „angegangen“ wird. Wenn Paare herausfinden, was und wie sie eigentlich leben möchten, und noch nicht alles durch Streit kaputtgemacht wurde, können sie ihr Leben und die Beziehung neu ausrichten.
Mutter/Vater-Beziehung
Manche Partner erleben sich in der Paarbeziehung gegenseitig nur noch als „Mutter“ bzw. „Vater“ und haben aufgehört, gleichwertige Liebespartner zu sein. Versteckte „Mütter“ und „Väter“ sorgen für ihre Partner wie für Kinder. Die Sicherheit ist groß und alles eingespielt. Doch manche Partner fühlen sich dabei bevormundet und nicht geliebt. Das, was in der Beziehung des Paares zu kurz gekommen ist, wird in der Außenbeziehung gesucht. Reinhard wünschte sich Anerkennung und nicht Abwertung, Roswitha wollte sich mit Reinhard austauschen.
Neuanfang möglich
Ehrliche Gespräche und Auseinandersetzung sind nach einer Außenbeziehung notwendig. Dabei sollten sich die Partner gegenseitig wirklich alle Wünsche, Sehnsüchte und Ängste ungeschönt zumuten. Nicht besprochen werden sollen Details der Außenbeziehung. Folgende Fragen sollten gestellt werden:
- In welcher Zeit und wodurch haben wir uns verloren? - Welche Unzufriedenheit oder welcher Mangel hat zur Außenbeziehung geführt? - Was haben wir früher miteinander gemacht? - Wonach sehne ich mich im Leben? - Was möchte ich verändern? - Was sind meine/unsere Vorstellungen von unserer Liebe in der Zukunft?
Neu beginnen
Verzeihen braucht Zeit und ist die Voraussetzung für einen Neubeginn. Verzeihen bedeutet, das Geschehene los- und sein zu lassen, es der/dem anderen nicht mehr nachzutragen. Diesen Prozess unterstützen kann ein gefühlsmäßiger Ausgleich, den der/die „Betrogene“ sich wünschen darf, etwa ein Tanzkurs oder ein Urlaub. Liebespartner haben Wünsche und Bedürfnisse und können für die Erfüllung derselben sorgen. Sie gestalten ihre Welt aktiv und muten sich einander zu. Sie hören auf, dem Partner/der Partnerin auszuweichen und sich (mit etwas „Drittem“) abzulenken. Indem Roswitha und Reinhard ihre Visionen und Sehnsüchte herausfinden und beginnen, sich selbst und ihre Beziehung wichtig zu nehmen, können Vertrauen und Liebe wachsen.
Wenig Chancen
Ein Neubeginn nach einer Außenbeziehung wird erschwert oder verhindert, wenn diese über mehrere Jahre stattgefunden hat, die emotionale Beziehung und vielleicht auch Bindung zur/zum „Dritten“ groß ist oder gar ein Kind in der Außenbeziehung entsteht. Sind einer oder beide Partner nicht bereit für eine Veränderung der Beziehung, ist ein Verzeihen nicht möglich und/oder ist der/die Partner/in wiederholt Außenbeziehungen eingegangen, ist ein Neubeginn ebenfalls nur schwer oder gar nicht möglich. Bei Fragen und Problemen wenden Sie sich an: Beziehung Leben, Partner-, Ehe-, Familien- und Lebensberatung, Kapuzinerstraße 84, 4020 Linz, Tel. 0732/77 36 76.
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