Der Linzer Bischof Manfred Scheuer war gemeinsam mit dem chaldäischen Patriarchen Louis Sako auf Lokalaugenschein in der vom IS befreiten Region westlich von Mosul.
Ausgabe: 08/2017, Ninive, Irak, Bischog, Scheuer, IS, Mosul
21.02.2017 - Georg Pulling
Einst lebten in der Kleinstadt Batnaya in der Ninive-Ebene rund 15 Kilometer nordöstlich von Mosul 3000 christliche Familien. Als im Sommer 2014 die Terrormiliz IS vorrückte, mussten alle fliehen. Die Bewohner von Batnaya gehörten zu jenen mehr als 120.000 christlichen Flüchtlingen, die nur ihr nacktes Leben retten konnten. Die gesamte Ninive-Ebene war christenfrei. Mehr als zwei Jahre wütete und hauste die IS-Terrortruppe in Batnaya. Vor rund drei Monaten konnten kurdische Verbände die Stadt zurückerobern. Bischof Scheuer stattet dem fast vollständig zerstörten Städtchen gemeinsam mit dem chaldäischen Patriarchen Louis Sako einen Besuch ab.
Trümmerfeld Batnaya. Schwer bewacht von Soldaten und Leibwächtern bahnen sich Scheuer und Sako den Weg durch die Trümmerfelder zur St.-Kyriakos-Pfarrkirche. Das Innere und Äußere der Kirche ist verwüstet, die Wände sind mit Hassparolen beschmiert, einer großen Marienstatue wurde der Kopf abgeschlagen. An der Wand einer Seitenkapelle finden Scheuer und Sako Schmierereien in schlechtem Deutsch: „Oh ihr Kreuzsklaven. Ihr habt keinen Platz in Islamischenland. Entweder gehst du raus oder wir töten dich.“ – Stammten diese Terroristen aus Deutschland? Oder gar aus Österreich? Wie überall, wo der IS wütete, wurden Gräben und Verteidigungsstellungen angelegt, Tunnel gegraben, Minen und Sprengfallen verlegt. Die Minen konnten von den kurdischen Truppen weitgehend entfernt werden. Batnaya ist und bleibt auf absehbare Zeit ein Trümmerfeld, schwer bewacht von kurdischen Truppen und christlichen Milizen. Ob die christlichen Bewohner jemals zurückkehren können? Hoffnung in Telskof. Einige Kilometer entfernt in der Kleinstadt Telskof lebt die Hoffnung. Einst wohnten hier 8000 Christen. Demnächst werden es zumindest wieder 200 sein. Sie hätten sich entschlossen, in die einst blühende Stadt zurückzukehren, berichtet Pfarrer Salar. Er wird mit ihnen zurückkehren. In Telskof war der IS nur wenige Tage, bevor er von den Kurden mithilfe amerikanischer Luftschläge zurückgedrängt werden konnte. Hier blieben die Häuser relativ gut erhalten. Die Infrastruktur ist freilich völlig zerstört.
Mut und Glaubensstärke. In der provisorisch wiederhergestellten Pfarrkirche von Telskof feiern Patriarch Sako und Bischof Scheuer einen Gottesdienst, zu dem viele frühere Bewohner und Christen aus den umliegenden Dörfern und Städten gekommen sind. Mehr als 1000 Menschen drängten sich in der völlig überfüllten Kirche. Bischof Scheuer spricht den Menschen beim Gottesdienst Mut zu, in ihrer Heimat zu bleiben und ihre befreiten Dörfer und Städte wieder neu zu besiedeln. Er zeigt sich tief betroffen vom Ausmaß der Zerstörung in der Region, zugleich aber auch beeindruckt vom Mut, der Glaubensstärke und der Zuversicht der Menschen.
Hilfe ist nötig. „Wir wollen hier in unserer Heimat bleiben und unsere Stadt neu aufbauen“, ergreift am Ende des Gottesdienstes ein Familienvater das Wort. „Aber wir brauchen Hilfe“, fügt er hinzu. Und auch Patriarch Sako hofft inständig, dass aus Österreich Hilfe kommt. Die chaldäische Kirche bemüht sich zwar nach Kräften, den Wiederaufbau zu unterstützen und hat dafür 400.000 Euro Soforthilfe auf die Beine gestellt, doch die Christen im Irak werden es ohne Hilfe von außen nicht schaffen. Das ist hier allen klar. Auch dem Linzer Bischof. Er hat im Rahmen seines Irak-Besuchs Patriarch Sako mit dem Kardinal-König-Preis ausgezeichnet. Dieser ist mit 10.000 Euro dotiert. Das kann freilich nur die „Initialzündung“ für noch mehr Hilfe sein, wie er sagt. Nach der Messfeier segnet Patriarch Sako auf einem Hügel über Telskof ein großes Metallkreuz, das in der Nacht beleuchtet ist. Für die Bewohner von Telskof ist es ein Zeichen ihrer Entschlossenheit, von Neuem zu beginnen und ihren christlichen Glauben, ihre Kultur und ihre Sprache zu bewahren. Das Kreuz leuchtet wieder über der Ninive-Ebene. Die ersten Christen sind zurück.