Nachbar will das Spielen im Freien stark einschränken
Ein Damoklesschwert schwebt über dem Linzer Jugendzentrum Stuwe. Ein Nachbar will mehr Ruhe und klagt vor Gericht, will das Spielen im Freien stark einschränken lassen. Was sagt Zentrumsleiterin Veronika Plasser dazu? Und was hat das ganze mit dem Linzer Dom zu tun?
Ausgabe: 2015/26, STUWE, Lassy, Plasser
24.06.2015 - Paul Stütz
Wolfgang Lassy hat alle Hebel in Bewegung gesetzt. Der Architekt, der neben dem Dom lebt, hat die Dompfarre im Herbst 2014 geklagt, weil der nächtliche Glockenschlag seinen Schlaf raube und seiner Gesundheit schade. Gezielt hat sein Anwalt in den Medien um Verständnis für diese Position geworben. Sogar an den Papst wandte er sich in Sachen Glockenlärm. Eines ging dabei meistens unter. Er strengt eine eine zweite Klage gegen einen weiteren Nachbarn an: das Jugendzentrum STUWE. Das Fußballspiel dort sei zu laut und immer wieder würden Bälle auf sein Grundstück fallen, beschwert sich der Architekt. Bei diesem medialen Nebenschauplatz geht es eigentlich um Brisanteres als im Glockenfall. Es geht um die Frage, was die Gesellschaft Kindern und Jugendlichen überhaupt noch an Freiraum zugesteht.
Innenhof zum Spielen
Diesen Freiraum bietet das kirchliche Jugendzentrum STUWE in der Linzer Steingasse seit 1984 für Jugendliche. Mitten im dicht bebauten Zentrum verfügt die Betreuungseinrichtung über einen Innenhof. Hier können Burschen und Mädchen nach Lust und Laune Fußball, Basketball oder Tischtennis spielen. So wie Merlin, Jakob und ihre Freunde, die gerade während des Lokalaugenscheins der KirchenZeitung kicken. Die Burschen erzählen, dass sie oft direkt nach der Schule ins STUWE kommen. „Dann können wir bald eigentlich eh nix mehr machen“, haben die beiden 14-jährigen Burschen Angst vor den Folgen der Klage. Und sie betonen außerdem: „Das STUWE war vor dem Nachbarn da“.
Kommunikation über Anwalt
Kontakt mit dem streitbaren Architekten hatte noch kaum jemand von den Jugendlichen. In der Regel werden die Beschwerden durch den Rechtsanwalt übermittelt. „Lassy sagt uns, er will nicht lästig sein und sich jedes Mal bei uns direkt beschweren“, erklärt Zentrumsleiterin Veronika Plasser. Diese zeitlich verzögerte Rückmeldung mache es aber schwierig, sinnvoll zu reagieren, meint sie. „Den Jugendlichen kann ich nur konkret sagen, jetzt gerade wart ihr zu laut.“ Denn grundsätzlich wolle sie Rücksicht üben, meint Veronika Plasser. Aus diesem Grund hat das STUWE bereits den Zaun um Fangnetze ergänzt. So fliegen keine Bälle mehr auf das Nachbargrundstück. Doch die Klage zielt auch auf Beseitigung dieses Zauns. Weil der laut Lassy auf der Grenzmauer errichtet wurde, die zu seinem Grundstück gehört.
Kläger-Darlehen
Veronika Plasser hat nicht zuletzt deshalb den Eindruck, dem Nachbarn ist jede bisherige Maßnahme des STUWE unzureichend. Im Herbst wird es nun zum Zivilprozess kommen. Wenn die Klage durchgeht, sind nur noch maximal drei Stunden Fußballspielen am Tag erlaubt. Nach den Wünschen des Klägers soll zudem ein neuer Fußballkäfig entstehen. Die Kosten hätte das STUWE zu tragen. „Hier gibt sich der Architekt großzügig und bietet sich als Geldverleiher an das STUWE an. Er klagt uns und da sollen wir uns von ihm Geld leihen“, ärgert sich Veronika Plasser. Aktuell dürfen die Jugendlichen während der Öffnungszeiten Montag bis Freitag von 11.30 Uhr bis 19 Uhr kicken. Am Abend und in der Nacht ruht der Betrieb sowieso. In einem ersten mittlerweile geplatzten Vergleichsversuch hat das STUWE im Frühjahr Einschränkungen sogar ausprobiert. „Mit Bauchweh“, wie Veronika Plasser betont. Bis 14 Uhr mussten die Jugendlichen warten, bis sie spielen durften. Die Wartezeit haben sie mit ihren Handys totgeschlagen. „Das passt sicher nicht zu unserem pädagogischen Konzept“, sagt Plasser. Für sie ist es letztlich eine gesellschaftliche Frage, die damit in Verbindung steht: „Wo gibt es dann überhaupt noch Platz für Jugendliche, wo sie sein dürfen, wie sie sind?“
Klagen gegen Dompfarre und Jugendzentrum STUWE
Der Architekt Wolfgang Lassy hat das kirchliche Jugendzentrum STUWE in der Linzer Steingasse parallel zu der Linzer Dompfarre verklagt. Bei letzterem Verfahren wurde bei einer Verhandlung am 19. Juni keine Einigung erzielt. Der Kompromiss zwischen Kläger und Dompfarre, dass von 23 bis 5 Uhr kein Stundennachschlag zu hören ist, war dem Anrainer zu wenig. Er will ein Abschalten aller Glocken in der Nacht erreichen. Damit ist auch der mögliche Vergleich mit dem STUWE geplatzt. Es wird in diesem Fall voraussichtlich im Herbst zu einer Verhandlung kommen. Lassy hat das STUWE auf knapp 15.000 Euro verklagt.