Warum ist der Rosenkranz eines der meistgestochenen Tatoos? Aus der Serie "Der Rosenkranz – eine Annäherung" von Barbara Haas, Teil 1 von 4.
Ausgabe: 2015/41, Rosenkranz, Tatoos
07.10.2015 - Barbara Haas
Ein heißer Sommertag, vor mir schlendern drei junge Menschen. Alle drei sind tätowiert, da ist auch ein Rosenkranz am Unterarm. Wussten Sie, dass der Rosenkranz eins der meistgestochenen Tatoos ist? Warum lässt sich ein junger Mann einen Rosenkranz tätowieren?
Nachforschung
Ich forsche nach und entdecke in einem Internetforum für Tatoos Folgendes: „Der Rosenkranz drückt eine starke Verbindung mit Religion aus. Ein Rosenkranz wird zum Beten benutzt, mit den Perlen zählt man, wie oft man schon gebetet hat. Wir wollen dem Rest der Welt sagen, welcher Glaube und was für Überzeugungen unser Leben ausrichtet. Die Perlen weisen auf unseren Glauben hin und zeigen, dass wir im Gebet den Glauben an Gott bezeugen. Mit einem tätowierten Rosenkranz zeige ich, dass mir der Glaube unter die Haut geht.“ Ob der junge Mann, der vor mir geht, das gelesen hat?
Schlicht, unaufdringlich, einfach da
Seit meiner Kindheit begleitet mich der Rosenkranz ganz still, schlicht, unaufdringlich und unauffällig. Er war und ist einfach immer da. Ich trage meistens einen Rosenkranz bei mir.
Einfach oder schwer?
Die Gebete sind vertraut. Das Kreuzzeichen, das Glaubensbekenntnis, das Vaterunser, das Gegrüßt seist du Maria, ich höre genau hin und verweile beim Beginn, „der in uns den Glauben vermehre, der in uns die Hoffnung stärke, der in uns die Liebe entzünde“ in uns. Glauben, hoffen, lieben in Tagen, wo fremde Menschen vor unserer Tür stehen und unsere Hilfe brauchen. Glauben, heute wirklich glauben? Hoffen in einer Zeit, in der wir nicht wissen, wie es weitergeht. Lieben, ohne zu wissen, wer unsere Liebe braucht?
Was wir haben, können wir geben
Ich kenne eine Frau. Jeden Abend betet sie einen Rosenkranz für Menschen, die sie gar nicht kennt, für Kinder, deren Eltern keine Zeit haben, für Jugendliche, die keinen Job haben, für alleinstehende Schwangere, für Eheleute im Streit, für Flüchtlinge. Ihre Worte sind klar: „Ich habe kein Geld, aber ich habe Zeit und meinen Rosenkranz, beides kann ich gut verschenken.“ Das geht mir unter die Haut.
Barbara Haas ist Religionspädagogin und Leiterin des Bildungshauses St. Michael in Matrei am Brenner.