Haben sich die Jugendlichen von der Kirche verabschiedet – oder hat sich die Kirche von der Jugend entfernt? Abt Martin Felhofer wollte es wissen und lud zum „Dialog Stift Schlägl“.
Ausgabe: 2015/41, Dialog, Schlägl, Jugendliche, Flüchtlingskrise, Kirche
06.10.2015 - Matthäus Fellinger
„Krise ist für Jugendliche Normalzustand“, sagt Martina Schorn. Die Jugendforscherin aus Wien zählt auf, was junge Menschen in ihrem Leben bisher erfahren haben: Wirtschaftskrise. Finanzkrise. Griechenlandkrise. Jetzt die Flüchtlingskrise. Und: schwieriger Einstieg in die Arbeitswelt. Es ist schwer geworden, sich zu orientieren – und gar nicht mehr einfach, jung zu sein. Doch Martina Schorn staunte nicht schlecht, wie viele Leute sich an einem schönen Herbstabend wegen eines Themas, das man für staubtrocken halten könnte, aus ihren Häusern locken ließen: Um „Jugend und Kirche“ ging es am 30. September beim „Dialog Stift Schlägl“.
Raum für junge Leute
Es bewegt nach wie vor, das so kompliziert gewordene Verhältnis zwischen den Jungen und den Alten in den – wo eigentlich? – in den Pfarren treffen sie immer seltener aufeinander. Doch es gibt sie, Orte und Zeiten, an denen junge Menschen auf ihre Art Kirche sind. Gleich in der Nähe des Stiftes, im ehemaligen Meierhof, ist so ein Ort: das Ask-Ju-Jugendzentrum. Gemeinde, Stift und Pfarre betreiben es gemeinsam. Hier trifft man sich nicht nur online, sondern live.
Kuschelbedürftige Jugendliche
Was beim Dialogabend im Stift so positiv empfunden wurde: Da wurde zwei Stunden lang nicht im Ton der Klage, sondern mit neugieriger Offenheit über das Thema gesprochen. Jugendleiterin Stefanie Poxrucker und Stefanie Hinterleitner – sie ist Vorsitzende der Katholischen Jugend in Oberösterreich – drücken in Symbolen aus, wie sie Jugendliche erleben: Mit Karabiner und Kompass zum Beispiel, um zu zeigen, wie schwer sie sich oft tun, Halt und Orientierung zu finden. Oder mit einem Kuscheltier. Es deutet an, wie sehr sie oft noch im Kindsein verhaftet sind und sich nach Beziehung sehnen. Kuschelbedürftig eben. „Man glaubt nicht, was es auslöst, wenn sie in einem Jugendgottesdienst eine Kerze anzünden dürfen“, erzählt Steffi Poxrucker. Aber das ist in manchen Kirchen gar nicht erlaubt – weil Wände verrußen könnten. Nicht einmal auf der Jugendburg Altpernstein dürfen Kerzen brennen. Es ist feuerpolizeilich verboten.
Gesichter der Kirche
„Die Kirche ist die einzige Organisation, die eigens Leute in Jugendzentren anstellt“, sagt Stefanie Hinterleitner. Jugendliche brauchen nicht nur Orte, sondern Menschen, „Gesichter der Kirche“ eben. „Wir sollen uns nicht verstecken, wir sind diese Gesichter von Kirche“, meint Stefanie Poxrucker. Als Symbol legen sie eine Bibel auf den Boden. Auch darüber wollen Jugendliche reden können.
Fordern und fördern
Paulus Manlik, Ordensmann vom Stift Schlägl, ist Religionsprofessor aus Leidenschaft am Rohrbacher Gymnasium. „Fordern und fördern“ lautet sein Grundsatz. Religionsunterricht muss anspruchsvoll sein. Es geht dabei keineswegs darum, Jugendliche in irgendeiner Weise für Kirche zu rekrutieren oder sie auf eine bestimmte Richtung hin zu indoktrinieren. Glaube geschieht in Freiheit. Die Art, junge Menschen in der Seelsorge zu begleiten, ist die des Hirten, der hinter der Herde nachgeht und nicht alles vorgibt, und die des Propheten, der zu kritischem Denken anregt.
Trotzdem Kirche
Auch wenn Jugendforscherin Martina Schorn von einer Konzentration auf das Ich bei Jugendlichen spricht: Das Du, auf das sie sich Jugendliche stützen und an dem sie sich reiben könnten, bleibt zu oft aus. Die Kirche erweist sich in Bezug auf junge Menschen nicht empfindsam genug. Doch trotz einer kritischen Haltung zur Kirche treten junge Menschen nicht so leicht aus der Kirche aus, sie pflegen ein sehr „pragmatisches“ Verhältnis zur Kirche, meint Schorn. Und ein Achtel der Jugendlichen engagieren sich sogar in einer religiösen Gemeinschaft.
- Der „Dialog Stift Schlägl“ wird vom Stift Schlägl zusammen mit der Katholischen Privat-Universität Linz und der KirchenZeitung veranstaltet.