Der Mord an vier Ordensfrauen und ihren Mitarbeitern Anfang März im Jemen hat kurz vor Ostern die Verfolgung von Christen weltweit schmerzlich in Erinnerung gerufen. In vielen islamischen Staaten sind Christen in schwerer Bedrängnis. Es gibt aber auch Lichtblicke, wie Bischof Paul Hinder (Abu Dhabi) erzählt.
Ihr Apostolisches Vikariat erstreckt sich auf die Vereinigten Arabischen Emirate, auf den Oman und den Jemen. Wie feiern Sie dort Ostern?
Bischof Hinder: Das kommt darauf an, von welchem Land wir reden. In den Vereinigten Arabischen Emiraten haben wir acht Pfarren und erwarten zu Ostern Tausende Menschen (vor allem christliche Gastarbeiter, Anm.). Am Ostersonntag haben wir in unserer Kathedralpfarre in Abu Dhabi 20 Messen in verschiedenen Sprachen. Ähnlich ist es im Oman, auch wenn es dort weniger Katholiken gibt.
Und wie ist die Lage im Jemen, wo Rebellen, Islamisten und der Staat sich bekämpfen?
Schlimm. Wir haben nur einen Priester, der, so gut es geht, für die verbliebenen zwei Schwesterngemeinschaften da ist. Der andere Priester, der bei dem jüngsten Anschlag entführt wurde, ist vermisst. Das gottesdienstliche Leben ist bis auf Ausnahmen zum Stillstand gekommen. Zwar gibt es neben den wenigen ausländischen auch einheimische Christen im Jemen, aber man kann sie bald an einer Hand abzählen. Die meisten kenne ich. Die Christen sind teils ausgewandert, teils ging das Christentum zurück, weil bei der Heirat mit Muslimen die Nachkommen muslimisch aufwachsen müssen.
Der Anschlag, bei dem vier Schwestern und zwölf Mitarbeiter starben, brachte die Verfolgung und Bedrängung der Christen in der Region wieder ins Gespräch. Was waren die Hintergründe des Attentats?
Das Pflegeheim, in dem diese Menschen arbeiteten, diente muslimischen Bewohnern und Patienten. Elf der ermordeten Mitarbeiter waren Muslime. Aber es ist klar: Es war ein von Christinnen geführtes Haus und das hat die radikale Gruppe, die den Anschlag ausführte, gestört. Es war ein Akt gegen Christen, aber auch ein Akt gegen jene, die den Jemen wieder in einigermaßen normale Bahnen lenken wollen.
Wie im Irak oder in Syrien sind die Christen im Jemen mit der Terrormacht „Islamischer Staat“ (IS) konfrontiert, dem US-Außenminister John Kerry Völkermord an den Christen vorwirft. Was bewirken solche Aussagen aus dem Westen?
An sich ist es berechtigt, wenn vom Westen Stellung genommen wird. Aber das wäre schon viel früher angebracht gewesen. Ob es jetzt für die Christen hilfreich ist, hängt von der Reaktion des IS ab. Ich glaube eher nicht, dass solche Aussagen im Moment sehr viel nützen. Denjenigen, die in den Händen des „Islamischen Staates“ sind, werden sie eher schaden. Es ist klar, dass die Christen Hilfe
benötigen – aber nicht nur sie. Ich hatte jüngst eine Begegnung mit drei Bischöfen aus dem Irak und sie haben gesagt: Den Christen geht es schlecht, aber das gilt auch für andere Minderheiten wie die Jesiden. Selbst muslimischen Gruppen, die nicht in das Konzept des IS passen, geht es nicht besser.
Das Hilfswerk Christian Solidarity International beklagt die Christenverfolgung in vielen Teilen der Welt und besonders die Bedrängung in islamischen Regionen, hat aber auch Staaten wie zum Beispiel die Vereinigten Arabischen Emirate oder den Oman gelobt. Was läuft da anders?
Wir haben zum Beispiel Hilfe erhalten, um jene Schwester, die den Anschlag im Jemen überlebt hat, herauszuholen. Ich werde von Scheichs zum Mittagessen eingeladen: Das zeigt, dass anerkannt wird, wenn wir nicht nur für unsere Leute da sind. In diesen Tagen las ich in der Zeitung von einem Prozess aufgrund des neuen Antidiskriminierungsgesetzes in den Vereinigten Arabischen Emiraten: Hotelangestellte müssen sich verantworten, weil sie sich über Christen lustig gemacht haben. Es gibt das Bemühen, allen Gerechtigkeit widerfahren zu lassen. Aber das gilt freilich nicht für alle Staaten in der Region.
Zum Beispiel in Saudi-Arabien gibt es keine Kirchen, öffentliches Glaubensleben außerhalb des Islam ist verboten und auf den Abfall vom Islam steht die Todesstrafe. Können Christen dennoch ihren Glauben leben?
Das wird toleriert, wenn es privat ist, in kleinen Gruppen und ohne Störung anderer. Über die Jahre hat sich ein System entwickelt, wie man zu Gottesdiensten zusammenkommen kann – stets unter Vorbehalt: Wenn sich wer gestört fühlt und die Polizei ruft, haben wir ein Problem. Zuletzt war das zumindest bei uns Katholiken nur selten der Fall und zum Teil wegen Unvorsichtigkeiten. Eine Regel lautet: Es wird nicht gesungen und es gibt keine Lautsprecher. Dennoch ist es eine untragbare Einschränkung der Kultusfreiheit. Von Religionsfreiheit kann man ohnehin nur sprechen, wenn Menschen eine religiöse Wahlfreiheit haben.
Der Großimam der Al-Azhar-Universität in Kairo hat nun unter anderem Papst Franziskus getroffen und die friedfertige Seite des Islam betont. Wie nehmen Sie das wahr?
Es kommt immer darauf an, mit wem man in welcher Situation spricht. Der Besuch beim Papst zeigt, dass man einen Weg sucht, gemeinsam auf Erscheinungen wie den IS zu reagieren. Ich hoffe doch, dass sich islamische Gelehrte die Frage stellen: Warum kann der Koran oder die islamische Tradition so ausgelegt werden, wie das der IS tut. Mir ist klar, dass das Zeit benötigt, auch wir haben lange bis zur Erklärung der Religionsfreiheit gebraucht. Aber es gibt eine große Dringlichkeit aufgrund der aktuellen Entwicklungen.
Es heißt, gerade im Westen gibt es ein verschämtes Schweigen über die Verfolgung und Bedrängung von Christen. Was kann der Westen tun?
Das ist schwierig zu beantworten. Natürlich hilft es den Menschen, wenn man für sie betet und ihnen zu erkennen gibt: Wir sehen euer Leid. Das habe ich gerade im Zusammenhang mit dem Anschlag im Jemen gesehen. Aber zum Beispiel in Syrien ist es derzeit sehr schwierig einzugreifen, ohne neue Probleme zu schaffen. Ich habe da den Libanon im Blick, wo es nach langem Bürgerkrieg eine Einigung gab. Der Westen sollte jedenfalls schauen, wer die besonders gefährdeten Gruppen sind: Da gehören klarerweise die Christen dazu, aber ich würde das nicht auf sie reduzieren.
Bischof Paul Hinder
Der Schweizer Kapuziner war seit 2005 Apostolischer Vikar für Arabien. 2011 wurde das Vikariat geteilt. Seitdem ist er Vikar für das Südliche Arabien (Vereinigte Arabische Emirate, Oman, Jemen). Dort lebt eine Million Katholiken, die aus 90 Staaten stammen und v. a. Gastarbeiter sind. Einheimische Christen gibt es im Jemen.