Es geht bei einer gerechten Verteilung nicht um eine Gegenüberstellung „wir Österreicher“ oder „sie, die Flüchtlinge“. Ein Leitartikel von Paul Stütz.
Ausgabe: 2015/36, Kommentar, Leitartikel, Stütz
01.09.2015 - Paul Stütz
„Das Boot ist voll“. Diese polemische Behauptung wird in Zusammenhang mit den Flüchtlingen, die nach Österreich kommen, wieder laut. Das lässt sich mit Blick auf die jüngere Vergangenheit leicht widerlegen: In den 90er Jahren wurden während des Bosnien-Krieges 90.000 Vertriebene aufgenommen. Österreich hat das ausgehalten. Natürlich kostet es etwas, Flüchtlinge adäquat aufzunehmen und in weiterer Folge zu integrieren. Aber: Der Kuchen ist groß genug, Asylsuchende inbegriffen. Es geht bei einer gerechten Verteilung nicht um eine Gegenüberstellung „wir Österreicher“ oder „sie, die Flüchtlinge“. Die Wertigkeiten haben sich auf einer anderen Ebene zu sehr verschoben. Ein Beispiel: Für ständig neue Straßenbauprojekte ist offensichtlich mühelos Geld vorhanden. 650 Millionen Euro kostet allein der geplante Westring in Linz. Viel Geld, das im Sozialbereich, im sozialen Wohnbau oder eben bei den Flüchtlingen fehlen wird. Es sollte wieder mehr in Menschen als in fragwürdige Projekte oder Banken investiert werden. Eine gerechtere Umverteilung von Reich zu Arm braucht es dazu auch. Das würde nicht zuletzt der Hetze gegen Flüchtlinge einen Nährboden entziehen. Gerade weil es tatsächlich immer mehr Österreicher gibt, die vom sozialen Abstieg bedroht sind.