Ratlos sind alle. Und Angst haben alle vor dem Terror der IS, des „Islamischen Staates“. Das Oberhaupt der syrisch-katholischen Kirche nimmt sich selbst nicht aus. „Dennoch dürfen wir die Hoffnung nicht verlieren und müssen helfen, wo wir können“, sagt Patriarch Ignatius Youssef III. Younan.
Ausgabe: 2014/40, Youssef, Libanon, ICO
30.09.2014 - Josef Wallner
Seit die Terrormiliz IS in Syrien und im Irak Stadt um Stadt erobert hat, wurde der Großteil seiner Gläubigen endgültig zu Flüchtlingen. Die 50.000 syrisch-katholischen Christen, die in Syrien lebten, sind schon seit längerem zerstreut, im August 2014 traf die 70.000 Kirchenmitglieder im Irak dasselbe Schicksal. Die meisten konnten nur das nackte Leben retten. Jetzt sind nur noch die 20.000 Syrisch-Katholischen im Libanon einigermaßen sicher.
„Keine Antwort“
Wie den Gemeinden von Patriarch Ignatius Youssef III. geht es inzwischen Millionen von Menschen in der Region. Nicht nur Minderheiten wie Christen, Jesiden, Alawiten – alle sind betroffen, wenn auch die Minderheiten natürlich besonders schutzlos sind. Was in Syrien im März 2011 als arabischer Frühling begann, wurde zu einer unvorstellbaren Katastrophe. „Ich kann den verängstigten Leuten in den Lagern keine Antwort geben, was die Zukunft für sie bringen wird“, sagt der Patriarch. Wo immer es geht, versucht er für seine Gläubigen und für alle Verfolgten, wie er betont, seine Stimme zu erheben. Am 11. September war er mit fünf Patriarchen beim Präsidenten der USA. Dass Präsident Obama sich eine halbe Stunde Zeit genommen hat, zeigt, dass ihm das Problem der verfolgten Christen zumindest bewusst ist. Das wertet der Patriarch als Erfolg, die Bitte Obamas, dass er die Hilfe der Menschen aus der Region braucht, hält er dagegen für eine diplomatische Floskel.
Wandlung des Islam
Der Einsatz der Waffen gegen die IS ist für Ignatius Youssef III. zur Zeit unausweichlich, aber er wird keine Lösung bringen. Auf lange Sicht führt kein anderer Weg zu einem friedlichen Zusammenleben als die Wandlung des Islam, betont das Kirchenoberhaupt: „Der Islam muss die Trennung von Staat und Religion vollziehen. Das klingt utopisch, es gibt dazu aber keine Alternative.“ Das nach außen hin halbwegs funktionierende Zusammenleben von Christen und Muslimen in seiner Heimat, dem Libanon, hält der Patriarch für gefährdet. Der Libanon, ein Land mit 4,5 Millionen Einwohnern und der Größe Oberösterreichs, beherbergt an die zwei Millionen Flüchtlinge, erklärt Stefan Maier. Der Nahostbeauftragte der Caritas referierte ebenfalls bei der ICO-Jahrestagung. Das Land steht am Rand es Zusammenbruchs, so seine Diagnose. Es ist ein Leben wie auf einem Vulkan. Dass die Lage noch so stabil ist, hält Maier für ein Wunder. Der Patriarch glaubt, dass die Angst vor einem Bürgerkrieg, wie ihn der Libanon von 1975 bis 1990 erlebt hat, ganz tief sitzt. Kein Politiker wagt es deshalb den Krieg ins eigene Land zu tragen.
Flüchtlingsmassen
Doch auch ohne Krieg ist die Lage im Libanon katastrophal: Die Mieten sind binnen kurzem um bis zu 400 Prozent gestiegen und Flüchtlinge verrichten jeden Job um einen Spottlohn, sodass die Arbeitslosigkeit unter den Libanesen dramatisch zugenommen hat. Das Hauptproblem bleibt aber die Versorgung der Flüchtlinge. Natürlich betreut der Patriarch rund um seinen Amtssitz in Beirut tausende Menschen, große Organisationen wie das Rote Kreuz und die Caritas machen dasselbe. Aber die Masse ist nicht zu bewältigen, redet Maier nichts schön. Vor allem im kommenden Winter droht eine Katastrophe.