Es fehle an ausreichenden Anreizen, dass Erwerbslose wieder einen Job annehmen, meinte Finanzminister Hans Jörg Schelling. Der Präsident der Wirtschaftskammer Österreich, Christoph Leitl, sagte, jeder, der arbeiten will, finde eine Arbeit. – Wirklich?
Knapp 38.000 Menschen waren Ende Juli 2015 beim AMS Oberösterreich arbeitslos gemeldet, zur gleichen Zeit gab es 7657 offene Stellen. Vizekanzler Reinhard Mitterlehner hält Schellings Vorstoß für berechtigt, denn „die Differenz zwischen Mindestsicherung und Arbeitseinkommen ist teilweise zu gering, um eine Arbeitsaufnahme anzuregen.“ Auch Leitl meint: „Ohne Arbeitslose deshalb unter Generalverdacht zu stellen, muss man davon ausgehen, dass das bestehende Sozialsystem ausgenützt wird.“ Er sei sehr für Mindestsicherung, die jene absichert, die nicht können, nicht jene, die nicht wollen.
Zumutbarkeit
Auf Nachfrage sagt die Landesgeschäftsführerin des AMS OÖ, Birgit Gerstorfer, dass per 19. August unter allen vorgemerkten arbeitslosen Menschen in Oberösterreich 1056 Mindestsicherungs-Vollbezieher waren. Dann kommen noch 2435 Teilbezieher dazu. Die Zumutbarkeitsbestimmungen seien zu weich, arbeitslosen Menschen sei mehr zuzumuten, meinte Leitl, als er sagte, Arbeit sei da, vielleicht nicht vor der Haustüre und nicht immer im Traumberuf. Für die Zumutbarkeit einer Beschäftigung spielen die Entfernung der Arbeitsstelle, ihre Erreichbarkeit, Betreuungspflichten, gesundheitliche Einschränkungen, Entlohnung und die Qualifikation eine Rolle. Die Zumutbarkeit sei aber bei wenigen das große Thema, die meisten wollen arbeiten, sagt Gerstorfer.
Mindestlohn
Leitls Aussagen ärgerten den Vorsitzenden der Sozialdemokratischen Gewerkschafter, Wolfgang Katzian. Denn im Juli standen österreichweit 31.119 sofort verfügbaren freien Stellen mehr als zehnmal so viele Arbeitslose gegenüber. Wenn der Unterschied zwischen Mindestsicherung und Arbeitseinkommen zu klein sei, empfehle er die Anhebung des Mindestlohns auf 1700 Euro brutto.
Mindestsicherung
Anspruch auf bedarfsorientierte Mindestsicherung haben Personen, die aus ihrem Einkommen und Vermögen ihren Lebensunterhalts- und Wohnbedarf nicht abdecken können. Sofern sie arbeitsfähig sind, müssen sie sich aktiv um eine Arbeit bemühen. Alleinstehende und Alleinerziehende erhalten derzeit bei zwölfmaliger Auszahlung im Jahr monatlich 903,20 Euro. Im Juni 2015 bezogen 14.000 Menschen in Oberösterreich die Mindestsicherung; Nur etwa ein Drittel – 5425 – wurde als arbeitsfähig eingestuft.