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„Ich bin dann mal weg“, hat Hape Kerkeling seine Erfahrungen auf dem Jakobsweg nach Santiago de Compostela genannt. 2006 war das. Dem erfolgreichen Fernseh-Unterhalter ist damals schlicht und einfach alles zu viel geworden. Also nichts wie weg! Das Buch wurde ein Bestseller. Es gibt offensichtlich viele Leute, die dieses panische Kribbeln in sich spüren. Einmal weg von allem – und nichts zu tun haben mit dem so aufgabenbeladenen Alltag, der den Blutdruck in die Höhe treibt. Einmal leben statt nur arbeiten mit dem Gefühl, ob es denn genug sei.
In der Tat leben wir in einer Zeit, die dem Menschen eines madig macht: das Verweilen in der Zeit. Zeit lassen – das geht nicht. Nutzen muss man die Zeit. Besser werden, effizienter. Die Konkurrenz schläft nicht. Eine ziemlich nervös gewordene Welt ist das, mit diesem ständigen Drängen. Wenn du nicht vorne bist, bist du rasch weg – und das hast du dir dann nicht selbst ausgesucht. So die heimliche Drohung. Nur in kurzen Zeiten dazwischen. Da muss dann alles Genießen auf einmal Platz haben, plangemäß, hineingezwängt in vierzehn Tage. Aber sonst: Wer sich Zeit lässt, sie gar genießen will – wird es nicht gut haben. Oder doch? Selig sind die, die Ruhe bewahren. Die sich nicht hetzen lassen. Eigentlich ist dieses Wegwollen von allem doch eher der stille Wunsch, zu sich selbst zu kommen, und dort verweilen zu dürfen.
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