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„Trump erlässt Zölle“ lautete Mitte vergangener Woche die Schlagzeile zu einem Beitrag auf der Website des ORF. Gott sei Dank, dachte ich im ersten Moment. Hat er in letzter Sekunde doch noch kalte Füße bekommen und die Schnapsidee verworfen, weltweit wieder Zollschranken zu errichten.
Weit gefehlt! Mit großem Brimborium hat er Zölle erlassen. Als Kirchenmensch hatte ich reflexhaft an die andere, gegenteilige Bedeutung des Wortes „erlassen“ gedacht. Der auferstandene Jesus sagt seinen Jüngern: „Denen ihr die Sünden erlässt, denen sind sie erlassen.“
Erlassen meint hier wegnehmen. Der Begriff hat in der Kirche Gewicht. In der Beichte werden die Sünden erlassen. Ist diese Wortbedeutung gerade jetzt in der Fastenzeit, in der die Osterbeichte ansteht, nicht wichtiger als die Allmachtsfantasie eines amerikanischen Präsidenten?
Auch das Heilige Jahr 2025, das Papst Franziskus ausgerufen hat, führt uns zum Erlassen. Es bezieht sich – in einem weiten Bogen – auf das alttestamentliche Jubeljahr, in dem alle fünfzig Jahre jedem Schuldner sämtliche Schulden erlassen und die gesamten wirtschaftlichen Abhängigkeiten, die sich im Laufe der vergangenen fünf Jahrzehnte angesammelt haben, wieder auf Null gestellt werden. Ein Erlassjahr ist das genaue Gegenteil von Zölle erlassen. Sollte Trump nicht davon ablassen, sehe ich schwarz, dass er im Heiligen Jahr einen Ablass erlangen kann.
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