BRIEF_KASTEN
Schlaftrunken schlurfe ich zum Waschbecken im Klassenzimmer und spritze mir Wasser ins Gesicht, um an diesem Samstagmorgen irgendwie doch noch munter zu werden für die anstehende Schularbeit. „Dass du in dem Zustand gute Noten schreibst, ist ein Wunder“, sagt mein Englischlehrer zu mir.
Vor rund 30 Jahren ist das passiert. Zwei Dinge sind daran erstaunlich. Erstens, dass der Samstagsunterricht doch einmal aufgegeben wurde und hier die Vernunft gesiegt hat und zweitens, dass wider alle Vernunft der Schulbeginn ansonsten immer noch so früh ist. Das Bildungssystem ist ziemlich resistent gegenüber sinnvollen Veränderungen. Wahrscheinlich weil die Vorstellung, Bedürfnisse der Schüler:innen ernst zu nehmen und die daraus nötigen Konsequenzen zu ziehen, zuerst einmal Ängste auslöst.
Jedenfalls sind meine Teenager-Kinder jetzt die Leidtragenden von der Haltung, dass möglichst alles so bleiben soll wie es war. Auch wenn zahlreiche Studien belegen, dass gerade der Schlafrhythmus von Pubertierenden nicht für den frühen Schulbeginn um 8 Uhr geeignet ist. Die Folge: chronischer Schlafmangel. Ein kurzer Blick über den Tellerrand: In Finnland, dem ewigen Vorbild in Sachen Bildung, beginnt der Unterricht erst um 9 Uhr, mit durchwegs positiven Ergebnissen. Warum tun wir uns so schwer, solche Modelle zumindest zu testen?
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