BRIEF_KASTEN
Ostermontag, bin im Dienst. Auf einmal: Ein Koordinator rennt im Schock herum, „alle in die Live-Übertragung!“, schreit er, „wichtige Mitteilung aus Santa Marta!“ – das ist die Papstresidenz. Mir rast das Herz, „er ist zurückgetreten“, denke ich. Franziskus, von dem ich zwölf Jahre lang behauptet habe, er werde nie zurücktreten, sondern sich zu Tode arbeiten. Dann wird klar: Genau das hat er getan.
Eine Maschinerie läuft jetzt im vatikanischen Redaktionshaus an. Es ist der Ernstfall für uns. Wir hatten ihn kommen sehen, trotzdem fühlst du dich unvorbereitet. Hektik. Extraschichten. Alle sind da, dauernd. Gefühle auf Anschlag. Trauer. Jeder von uns geht sich von dem aufgebahrten Leichnam in Santa Marta verabschieden, Privileg der Vatikan-Leute. Und dann nochmal zum aufgebahrten Leichnam im Petersdom, ich bringe meine 15-jährige Tochter mit (das kennt sie schon von Benedikt XVI.). Die Menschenmassen. Die Anteilnahme. Die manchmal morbide Neugier, einen toten Papst im Sarg zu sehen.
Nach Beerdigung und Trauerwoche läuft es auf den zweiten Höhepunkt des Ernstfalls Sedisvakanz (leerer Papststuhl) zu: das Konklave, die Wahl des Nachfolgers. Wie schon beim Papsttod fragen große Medien nach unserer Einschätzung. Interviews müssen wir jeweils mit der Direktion absprechen, was geht, was nicht. Die zirkulierenden Listen der angeblich „papstfähigen“ Kardinäle lesen wir mit Interesse, ohne ihnen Gewicht zu geben, manche Kandidaten sind derart unwählbar, dass sich die ganze Liste disqualifiziert. Und wie so oft, zeigt sich am Ende: Ein Mann aus den hinteren Rängen dieser Listen kommt in blitzkurzer Zeit auf eine Zweidrittelmehrheit. Leo XIV. Mein vierter Papst aus der Nähe.
Jeder neue Papst ist wie ein Neugeborenes, ein Baby, das man freudig erwartet und dem man jetzt zuschaut mit Liebe, Dankbarkeit und ja, mütterlichem Interesse. Die große Klammer der Sedisvakanz ist: Trost. Ein Papst stirbt, hochbetagt, es ist nicht tragisch, es ist das Leben. Und man weiß, in zweieinhalb Wochen tritt nach einem Verfahren, das komplett uneinsehbar, aber zuverlässig ist, ein anderer an seinen Platz und setzt sein Werk fort. Willkommen, Papst Leo.
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