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Das Navigationssystem sagt, dass es die Zieladresse nicht kennt. Das Handy hat keinen Empfang mehr und der Radiosender verabschiedet sich mit einem knackenden Geräusch. Die Bergstraße wird von Kilometer zu Kilometer enger, der Asphalt weicht Schotter. Jetzt muss die simple Wegbeschreibung von Irmi Irnberger genügen: „Immer gerade weiterfahren, den Berg hoch“. Irgendwann ist das Ziel erreicht: 1511 Meter über dem Meeresspiegel vor dem Gatter der Schwabergalm. Im Sommer lebt und arbeitet Irmi Irnberger hier als Sennerin in einer traumhaft schönen Umgebung: Saftig grüne Almwiesen und rauschende Bäche, rundherum die Berge der Niederen Tauern in der Steiermark – und viele Kühe.
Ein gutes Dutzend davon hat sich auf dem Schotterweg vor der Hütte aufgepflanzt, als die KirchenZeitung zu Besuch kommt. Es dauert nicht lange, da nähert sich Irmi, die Füße in grünen Gummistiefeln, die Haare mit einem Stirnband zurückgebunden, energisch der Herde. Sie treibt die Kühe mit einem Stecken den Hang hinauf, damit der Besuch vorbeifahren kann.
Irmi war gerade anderweitig beschäftigt. Drinnen in der Almhütte hat sie Butter gemacht. Seit 5 Uhr in der Früh ist sie auf, jetzt um halb zehn formt sie die einzelnen Butterziegel. Rund 50 Kilo Butter produziert sie jede Woche. Dazu kommen noch große Mengen an Graukäse, Breslkas, Mozzarella, Buttermilch. Den fünften Sommer in Folge ist Irmi auf der Schwabergalm und hütet das Almvieh, 80 Rinder, 22 davon Milchkühe. Das Almhandwerk hat sie vom Altbauern gelernt. „Das ist Arbeit von früh bis spät“, sagt Irmi.
Auf den Familienurlaub am Strand verzichtet Irmi, weil sie die Almbesitzer dringend brauchen und das Geld für sie ein wichtiger Zusatzverdienst ist. Dabei verbindet sie ihren Brotberuf der Seelsorgerin mit dem Sommerjob als Sennerin. Ihre „Almauszeiten“ locken Menschen an, die dem Alltag zwei bis vier Tage in der Einsamkeit der Berge entfliehen wollen. Sie erwartet ein Morgen- und Abendimpuls und Gesprächszeiten mit Irmi untertags. Dazwischen werden sie von Irmi mit Hausmannskost und gesunden Bio-Lebensmitteln direkt von der Alm bekocht.
Die Pfarrsekretärin und vierfache Mutter Petra Bürscher ist eine dieser Ruhesuchenden, die ihren durchgetakteten Alltag im Tal lassen wollen. Heute Früh hat sie die Sonne und ein Vogelkonzert geweckt. „Ich habe einen Energieschub gespürt. Einmal weg sein tut mir gut“, sagt sie und nimmt einen Schluck von ihrer Tasse Kaffee. In Petras Gemeinde ist kein Pfarrer vor Ort und sie ist praktisch rund um die Uhr da für alle, die etwas von der Kirche brauchen. Petra genießt es, auf der Schwabergalm nicht erreichbar und den Pflichten des Haushalts entledigt zu sein.
„Zuhause gibt es immer Arbeit, bei der Irmi kann ich mithelfen, aber ich muss nicht. Das ist das entscheidende“. Sie lässt beim Wandern die Seele baumeln, denkt über ihr Leben nach, erzählt Irmi von ihren Sorgen. Das kann beim Putzen der Almhütte sein oder bei dem Nachmittagskaffee, für den sich die beiden Frauen viel Zeit nehmen. Die Armbanduhr hat Petra auf der Alm erst gar nicht angelegt: „Das ist ein schön zeitloses Gefühl“.
Der Übergang zwischen den Berufsrollen Sennerin und Seelsorgerin ist bei Irmi fließend. Im Tal ist es ähnlich. „Die Leute reden mich auf der Straße an. Ich kann das Private vom Beruflichen schwer trennen“. Kontaktfreudig geht sie in Kremsmünster und Umgebung von Haustüre zu Haustüre und läutet bei den Menschen an, um mit ihnen ins Gespräch zu kommen. „Die meisten heißen mich herzlich willkommen“. Sie gibt Rat ohne Bevormundung, richtet auf, vermittelt eine positive Einstellung zum Leben. Oft habe sie es mit erschöpften Familien zu tun, erzählt sie: „Es braucht so viel Zeit für die Kinder. Das ist schwierig mit den Anforderungen in der Arbeit in Einklang zu bringen“.
Irmi weiß selbst, wie es ist, Familie und Beruf unter einen Hut bringen zu müssen. Sie hat drei Kinder im Alter von 8 bis 17 Jahren und so ist auch das Leben auf der Alm in dieser Hinsicht eine Herausforderung. Die Sommerferien verbringen ihre beiden jüngeren Kinder, Agnes (8) und Paul (13) permanent auf der Alm bei ihr, während ihre ältere Tochter mit 17 schon andere Pläne verfolgt und sich ihr Mann um Haus und Garten zuhause kümmert. Das Leben auf der Alm soll ihrem Nachwuchs vermitteln, „dass nicht immer alles leicht ist und man sich viele Dinge hart erarbeiten muss“.
Den langen Sommer auf Fernsehsender, Handy und Internet zu verzichten fühlt sich für sie und die Kinder wie eine Befreiung an, sagt Irmi. Nur am Abend schauen die drei auf ihren Laptops Filme an. Mehr Medienkonsum gibt es aber nicht. „Agnes und Paul finden sich untertags eben andere Beschäftigungen“, berichtet Irmi: „Fad ist uns hier eigentlich sehr selten“.
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